Trojaburg
 
 

Herman Wirth: Das Atlantis-Problem

Aus unserem Leserkreise gingen uns verschiedentlich Anfragen zu, um was es sich bei "Atlantis" eigentlich handelte. Auf unsere Bitte hin hat nun Prof. Dr. Wirth den Abdruck des folgenden Aufsatzes erlaubt, der, den Gang seiner Untersuchungen gebend, in außerordentlich klarer Weise in den Fragenkreis um Atlantis einführt und zeigt, wie Wirth zur "Entdeckung" von Atlantis kam. Weiß man erst, um was es geht, so wird man mit größerem Zutrauen zur eigenen Leistungsfähigkeit zu dem sehr gewichtigen (im eigentlichen und übertragenden Sinne) Werke (?Der Aufgang der Menschheit?) greifen, vor dem man sonst vielleicht zurückschreckt.
Auf den Nachtrag, den Prof. Wirth noch beigesteuert hat, sei besonders hingewiesen.

Von allen ungelösten Fragen, welche das Dunkel der älteren Weltgeschichte noch in sich birgt, gehört die Überlieferung der Atlantis wohl zu denjenigen, die auf die Wißbegier und die Phantasie des Menschen die größte Anziehungskraft ausgeübt hat. Nur in einer einzigen späten Geschichtsquelle, dem angeblich ägyptischen Reisebericht des Solon, enthalten in Platons "Timaios" und "Kritias", war der Nachwelt scheinbar zufälligerweise noch Kunde von jenem sagenhaften Lande erhalten geblieben. Seit der Humanismus das Studium der Literatur des klassischen Altertumes wieder zu neuem Leben erweckte, versuchte die Forschung von vier Jahrhunderten vergeblich, irgendwelche weiteren Anhaltspunkte für die Klärung dieser Frage zu gewinnen
Als im Laufe des letzten Jahrhunderts der Spaten des Forschers uns die Denkmäler der ältesten Kulturen des Mittelmeerbeckens aus Schutt und Staub wieder zutage förderte, nirgends sich aber neue Kunde von der Atlantis fand, da wurde der Zweifel an dem Vorhandensein eines geschichtlichen Kernes in dem Bericht Platons immer allgemeiner. Als nun gar die "okkult-wissenschaftlichen" Schriftsteller dazu übergingen, das Geheimnis des Meeresbodens zu "erschauen" und die Atlantisfrage einem "literarischen Bolschewismus" auslieferten, da wurde sie zu einem verbotenen Gebiet, auf daß sich kein ernster wissenschaftlicher Forscher mehr zu begeben hatte.
Damit schien die Frage der Atlantis von der Forschung ausgeschieden zu sein, wenigstens auf Grundlage der Darstellung Platos, in der Atlantis als ein mächtiges Insularreich in dem heutigen gleichnamigen Ozean westlich von der iberischen Halbinsel beschrieben wird, dessen Untergang in der mittleren Steinzeit einzusetzen wäre.

In neuerer Zeit ist diese Frage von zwei Seiten wieder aufgegriffen worden; Adolf Schulten möchte das alte Tartessos mit der Atlantis des Plato identifizieren, während Leo Frobenius dieselbe nach Westafrika verlegen wollte. Aber beide Lokalisierungsversuche sind wieder rein mutmaßlicher Art und gehen nicht ohne große Umdeutungen des Berichtes Platos vor sich, laut desselben Atlantis ausdrücklich als eine sehr große Insel im Ozean, westlich von den Säulen des Herakles bezeichnet wird. Die Bezeichnung "größer als Libyen und Asien" darf man nicht wörtlich nehmen, da man zu dieser Zeit von der geographischen Größe der betreffenden Länder überhaupt keine Vorstellung hatte. Diese Angabe soll also nur besagen, daß die Insel "sehr groß" war. Dagegen muß die geographisch so genaue Angabe von der Lage der Insel auf einer wirklichen geschichtlichen Überlieferung beruhen oder - der ganze Bericht ist eine Tendenzerfindung - wie ja auch schon behauptet worden ist. Enthält aber der von Plato in seinem "Timaios" und "Kritias" verwertete "ägyptische Reisebericht" des Solon einen geschichtlichen Kern, so hätte eine kritische Untersuchung desselben sich zunächst das heute noch erhaltene Randgebiet der Atlantis als engeres Untersuchungsgebiet abstecken müssen. Dies wäre das Küstenland West- und Südwesteuropas sowie der Nordwesten Afrikas.

An erster Stelle wäre dann zu untersuchen gewesen, welche Überlieferungen in dieser Peripherie von einem untergegangenen Lande von älterer bis zu jüngsten Zeit in volkläufiger Kontinuität nachweisbar sind und welche Einzelheiten sich aus ihrer vergleichenden Gegenüberstellung als feste Motive gewinnen ließen. Denn eine solche gewaltige Katastrophe muß bei den Völkern der nicht betroffenen Randgebiete einen unauslöschlichen tiefen Eindruck hinterlassen und die Quelle zu einem ganz besonderen Sagenkreis gebildet haben, wie sich dies für die ozeanische Sintflutsage des Südseegebietes nachweisen läßt. Die Nachricht von dieser furchtbaren Begebenheit muß sich also von Geschlecht zu Geschlecht in der Erzählung weiter fortgepflanzt haben.

Als "Land der Ahnen" und "Land der Väter" mußte die Erinnerung an dies versunkene Land bei den Randvölkern zunächst bewahrt geblieben sein, aus der sich dann die Vorstellung von dem Totenreich, "der Unterwelt", und damit wieder verbunden, diejenige von dem "Gefilde der Seeligen" entwickeln konnte. Daneben muß ein besonderes Motiv sich abgezweigt haben: die Ursache des Unterganges ist die Folge eines Verschuldens, ist eine Strafe der Gottheit. Aus dieser letzten Vorstellung muß dann das Motiv des "verwünschten Landes" entstanden sein.
Als engeres Untersuchungsgebiet haben wir das atlantische Küstengebiet Irlands, Frankreichs, der iberischen Halbinsel und Nordwestafrikas erwähnt. Von diesem Umkreisgebiete eines mutmaßlichen, großen ozeanischen Insularreiches ist wiederum Irland das wichtigste Studiengebiet, weil man dort die größte Kontinuität voraussetzen kann. Ethnologisch betrachtet ist die Urbevölkerung Irlands, so wie die Grabfunde der jüngeren Steinzeit sie uns zeigt, nur zweimal von Fremdvölkern wieder überschichtet worden. Einmal von den "Glockenbecherleuten", die aber wieder mit der steinzeitlichen Bevölkerung verschmolzen, dann von den Kelten, die diese Bevölkerung sprachlich keltisierten. Die Römer haben nie den Fuß auf den Boden Irlands gesetzt, und was von germanischen Stämmen der Eisenzeit und später von den Wikingern der Sagas dahin gelangte, hat keinen irgendwie tiefer greifenden oder nachhaltigen Einfluß auf die Volksüberlieferung ausgeübt, als daß sie eben in diese Überlieferung eingereiht wurden. So wurden z. B. die Wikinger als "Fomorier" bezeichnet, mit dem Namen eines mythischen, seegewaltigen Volkes der grauen Vorzeit, das einst von einer Insel mit einer "Glaßburg" aus Irland beherrschte.

In Irland müssen wir deshalb die größte Kontinuität der Überlieferung voraussetzen können, weit größer als auf dem Festland Südwesteuropas, wo durch die Völkerverschiebungen Europas und Afrikas die Träger jener alten Überlieferung größtenteils verschwunden oder in den sie überschichtenden  Fremdvölkern aufgegangen sein werden. Wohl aber ist es möglich, daß wir anderweitig noch irgendein Bruchstück dieser Überlieferung bei den verschobenen und weiter gewanderten ehemaligen atlantischen Volksgruppen wieder finden können. Denn - wenn dieses große atlantische Insularreich bestanden hat und es infolge dessen auch ein kolonisatorischer Herd war, von dem Siedlungswellen wiederholt zu dem europäischen Festland gelangt sein werden, müssen wir in den ältesten Überlieferungen der aus solchem "ver sacrum" entstandenen Völker oder Stämme auch Erinnerungen an dieses Mutterland wiederfinden. Ein jedes Siedlervolk nimmt aus seiner alten Heimat mindestens die Flurnamen mit und überträgt sie auf seine neue Heimat. Ebenso führt es den ehemaligen gemeinsamen Stammesnamen mit sich und behält ihn auch in der Fremde bei.
Man müßte darum mögliche Wanderungs- und Siedlungsagen bei abendländischen und nordwestafrikanischen Völkern untersuchen, um zu ermitteln, ob in Zusammenhang mit der Überlieferung von einer Herkunft aus dem Westen oder aus dem Norden - sich Namensgleichungen für dies Herkunftsland und seine Bewohner feststellen lassen. Die betreffenden Völker, bei denen sich solche Beziehungen ergeben würden, müssen dann aber auch vom ethnologischen, rassen- sowie kult- und sprachgeschichtlichen Standpunkt verwandte Elemente, die irgendwie und irgendwann mal einem gemeinsamen Herd entstammten. Diese gemeinsamen Elemente müssen sich aber dann gleicherweise in den als Randgebiete der Atlantis genannten Küstenländern Südwesteuropas und Nordwestafrikas belegen lassen, und zwar in zeitlich älterer Folgen. Aus diesen Belegen wiederum müßten sich besonders auf kultgeschichtlichem Gebiete Beziehungen herausstellen zu gewissen gegenständlichen Angaben in dem Atlantisbericht des Plato, welche man aus der legendarisch-phantastischen Ausschmückung dieser späteren Überlieferung herausschälen kann.
Von diesem Standpunkt betrachtet wären die ältesten Kulturen des Mittelmeerbeckens auf ihre westlichen Beziehungen hin besonders zu prüfen, da wir an erster Stelle eine Ausbreitung der Atlantiskultur über den Meeresweg anzunehmen hätten. Hier gewinnt Nordwestafrika eine erhöhte Bedeutung als Ablagerungsgebiet, das aus rassenkundlichen Erwägungen uns eine außergewöhnliche, formale Kontinuität aufzuweisen verspricht. Denn die Völker negerischer Rasse und Mischrasse sind zwar einer gewissen formalen Kontinuität des Kulturgutes einer geistig höher organisierten Rasse fähig, nicht aber der Schaffung gleicher geistiger Höhenwerte oder deren Erhaltung. Sie werden daher das empfangene Kulturgut, in größerem oder geringerem Umfang, zu eigener primitiven Idee zurückgebildet, der Form nach aber erhalten haben.
Solange diese Bedingungen einer einheitlich angelegten kritischen Untersuchung nicht erfüllt sind, muß vom Standpunkt der wissenschaftlichen Forschung die Frage noch als offenstehend und unentschieden angesehen werden. Wenn nun die oben vorausgesetzten Beziehungen zwischen ältesten festländisch-abendländischen und afrikanischen Kulturen und einem gemeinsamen atlantischen Herd bestanden haben, so ist es unausbleiblich, daß bei irgendeiner vergleichenden kult- und sprachgeschichtlichen Untersuchung in dieser Peripherie die "Atlantis" unbeabsichtigt "entdeckt" wird. Und so ist es auch dem Verfasser gegangen während einer vergleichenden Untersuchung der Kultsymbolik des Abendlandes in Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte der Schriftsysteme. Die erstmalige systematische Sammlung der Symbole, Zeichen und Zeichenformeln, wie sie auf Megalithdenkmälern und gleichzeitigen Grabfunden vorkommen, ergab einen Zusammenhang zwischen jenen Hieroglyphen der jüngeren Steinzeit und den Schriftzeichen die jüngeren Periode der älteren Steinzeit, welche uns in verschiedenen Inschriftenstücken erhalten sind. Bisher wurden dieselben - ohne irgendwelche dafür erbrachten Belege und Beweise - als "mantische Zeichen", "Zauberzeichen" beiseite gelegt, da das Bestehen einer Buchstabenschrift angeblich nicht mit der Kulturhöhe einer jüngeren Steinzeit, geschweige denn einer älteren Steinzeit in Einklang zu bringen sei!

Von den Schriftzeichen des Magdalenien ausgehend wurde nun die Verbreitung eines jeden Zeichens sowie der Zeichenverbindungen, der "Formeln", in Bezug auf ihre geographische Ausbreitung und ihre Wanderungen durch die geschichtlichen Epochen hindurch erforscht. Es ergab sich, daß neben der Verwendung als Silbenzeichen auch diejenige des sinnbildlichen Zeichens (Symboles) zunächst kontinuiert bleibt, und der gemeinsame, hieroglyphische Ursprung, die Entstehung aus dem Kultischen sich stets wieder nachweisen läßt. Dadurch wird es möglich, die Lautwerte der einzelnen Zeichen zu ermitteln und bis zu einem gewissen Punkt rückwärts zu verfolgen; dieselben konnten auch für die jüngere Periode der älteren Steinzeit (das Jungpaläolithikum) mit Sicherheit angesetzt werden. Denn, wenn man bei Völkern und Kulturen, die räumlich und zeitlich voneinander getrennt sind, Übereinstimmungen feststellen kann, die auf ehemalige Zusammengehörigkeit oder Verwandtschaft hinweisen, so ist es möglich, diese Periode der Zusammengehörigkeit auf dem Wege der vergleichenden, chronologischen Untersuchung wiederherzustellen, wie es z. B. die indogermanischen Sprachwissenschaft für die angeblich "indogermanische Ursprache" versucht hat.
Im Laufe dieser Untersuchungen wurden nun die sämtlichen ältesten Schriftsysteme des Mittelmeerbeckens und seines Hinterlandes herangezogen: die Schriftzeichen der kretisch-mykenischen und der kretisch-ägyptischen Kultur, die prädynastische Liniearschrift Ägyptens, die archaischen west- und ostsumerischen Schriftzeichen und Symbole, die sogenannten "semitischen" Alphabete Arabiens und Amurus (Kanaans), sowie das nordafrikanische libysche Schriftsystem in seiner Kontinuität in der heutigen Berberschrift und seiner Beziehung zu den Schriftsystemen, der Symbolik und Sprache der atlantischen Küste Westafrikas (Bai, Yoruba, Bamum usw.). Das Ergebnis war, daß diese Schriftsysteme konzentrisch auf einen westlichen Ausgangspunkt zurückgehen, dessen älteste Schicht eben jene Schriftdenkmälerfunde des Magdalenien an der atlantischen Küste Südwesteuropas darstellen. Weiter, daß die Schriftzeichen und Symbole der auf überseeischer Verbreitung beruhenden Megalithdenkmäler des Abendlandes, besonders Irlands, Westfrankreichs und Portugals, mit Nordwestafrika einen großen atlantischen Kulturkreis bilden. Aus diesem Kulturkreis ist über den Seeweg das "atlantische" Schriftsysteme ostwärts gewandert. In seiner reichsten Gestalt finden wir es noch in dem reichen Formelschatz der Zeichen, die auf der prädynastischen Grabkeramik (Nagadah, Abydos usw.) vorkommen und von einem bekannten Altertumsgeschichtsschreiber als "Fabrikmarken" erklärt wurden! Eng verwandt mit der prädynastischen Linearschrift Ägyptens, von der die spätere ägyptische Hieroglyphenschrift nur die dürftigen Bruchstücke bewahrt hat, sind die sogenannten südsemitischen Alphabete, deren Entstehung zurückzuführen ist auf eine in der jüngeren Steinzeit um Afrika herum greifende überseeische Wanderung, welche auch in Mesopotamien einmündet (die Leute vom Fremdboottypus). Diese Schriftsysteme weisen in Bezug auf die Zeichen, ihre Lautwerte und ihre kultischen Beziehungen so große Übereinstimmungen auf, daß jede Zufälligkeit einer unabhängigen örtlichen Entstehung ausgeschlossen ist. Überdies läßt sich an der Hand der urgeschichtlichen Denkmäler Zeit und Weg ihrer Wanderung noch ermitteln und ebenso die ethnologische Zusammengehörigkeit ihrer Träger feststellen.
Ein weiterer überaus wichtiger Anhaltspunkt ergab sich bei dieser vergleichenden schrift-, sprach- und kulturgeschichtlichen Untersuchung. Diese Schriftsysteme zeigen in ihren älteren Schichten eine Übereinstimmung, die auf eine ehemalige einheitliche kultische Abfassung  hinweist, und zwar als  "heilige Jahresreihe", als die Monatszeichen des  Sonnenjahres. Es lassen sich zwei Schichten feststellen, die auf eine jeweilige gemeinsame Redaktion zurückgehen, welche in einem westlichen atlantischen Kultzentrum vollzogen sein muß. Diese Redaktionen beruhen auf einer Neuaufstellung der Winterwendesymbole, wenn die Sonne nach Ablauf eines Zyklus von rund 2000 Jahren in einem neuen Sternbild (Sonnenhaus) zur Wintersonnenwende aufging. Dies neue "Sonnenhaus" erhielt dann zwei neue Zeichen für den ersten Monat des Jahres. So ergeben sich eine "Elch" (Zwillinge-)-Periode und eine "Stier"-Periode als Winterwende-Sternbildsymbolik; auf diese folgt dann eine "Widder"-Periode.
Bei der Untersuchung der kultsymbolischen Zeichen des Magdalenien stellte sich nun überraschenderweise heraus, daß die Elch- und Stierperiode darin wohl vertreten ist, nicht aber mehr die Widderperiode. Und weiter, daß auch bei jenen archaischen Schriftsystemen des Mittelmeerbeckens und seines Hinterlandes sich nur die auf eine gemeinsame Redaktion zurückgehende "Elch"- und "Stier"-Periode nachweisen läßt.
Dagegen ist die neue Redaktion der ?heiligen Zeichenreihe?, die mit Eintritt der Widderperiode erfolgen mußte, nicht mehr einheitlich oder überhaupt nicht zur Durchführung gelangt. Oder - wie sich besonders bei den ostmittelländischen Schriftsysteme nachweisen läßt - die neue Redaktion der Widderperiode wurde reaktionär zugunsten der älteren Stierperiode wieder beseitigt oder umgedeutet. Jedenfalls ist von einer einheitlichen Grundlage keine Rede mehr und zeigen die einzelnen Schriftsysteme völlig verschiedene Entwickelungsformen. Das allerwichtigste ist aber, daß nach der Widderperiode überhaupt keine neue Redaktion dieser ?heiligen Jahresreihe? mehr stattgefunden hat; und die Reihenfolge der Schriftzeichen, abgesehen von wenigen viel späteren aus Nutzzwecken eingefügten Zeichen, seitdem unverändert bestehen blieb! Es hat sich also herausgestellt, daß von einem gemeinsamen Herd an der atlantischen Küste Südwesteuropas ausgehend diese beiden ältesten Redaktionen sich einheitlich in den genannten Schriftsystemen nachweisen lassen. Das wäre für die ?Elch?(Zwilling)-Zeit eine Periode von etwa 12 000 bis 10 000 v. Chr., für die ?Stier?-Zeit etwa 10 000 bis 8000 v. Chr. Dann aber bricht die einheitliche Redaktion ab.
Eine solche Übereinstimmung in den Schriftsystemen und das Aufhören derselben ist aber nur erklärlich, wenn der betreffende Ausstrahlungsherd aufhört zu bestehen. Da die ganze ?heilige Reihe?, die sämtlichen Zeichen und ihre Lautwerte rein kultischer Art sind, muß dieser Ausstrahlungsherd ein mächtiges Kultzentrum gewesen sein, daß durch seine gewaltige Seegeltung die Verbindung mit den vorgeschriebenen Volkspflanzungen unterhalten konnte, wie diese Volkspflanzungen ihrerseits in kultischen Dingen die Fühlung mit diesem Zentrum bis zu einem gewissen Zeitpunkt nicht verloren.

Diese Beziehungen brechen aber mit der ?Widder?-Periode (Sonnenaufgang in Sternbild des Widders zur Wintersonnenwende) ab und hören dann für immer auf. Dies wäre um 8000 v. Chr. eingetreten. Nach Angabe der ägyptische Priester in dem Reisebericht Solons bei Plato erfolgte der Untergang von Atlantis um 9000 v. Chr. Diese beiden Zeitbestimmungen decken sich also mit einem geringen Unterschied.

Auf solche unerwartete und unbeabsichtigte Weise kam der Verfasser zu der ?Entdeckung? der Atlantis, deren weitere Einzelheiten sich bei einer nunmehr planmäßig angelegten Untersuchung, wie sie oben als Bedingungen gestellt wurde, nacheinander klarer herausstellten. Die Erforschung der ältesten Siedlungssagen Irlands führte auf die Spur eines ganzen Kreises von Sagen, welche das ?untergegangene Land?; die ?untergegangene Stadt?, das Land ?unter den Wellen?, das ?Land der Ahnen?, das ?Gefilde der Seeligen? zum Gegenstand haben. In der irischen Mythologie nehmen sie einen großen Platz ein und enthalten so reiche Bestandteile kultsymbolischer Art, daß von ihnen aus die wichtigsten Aufschlüsse gewonnen werden konnten. Während diese Sagen an der atlantischen Küste Irlands und Nordwestfrankreichs lokalisiert sind, ließen die kultsymbolischen Einzelheiten sich nordwärts in dem germanischen Kulturkreis und südwärts besonders in dem atlantischen Kulturkreis Westafrikas weiter fest verankern. Die Untersuchung der Mythologien der mittelmerländischen und mesopotamischen Kulturen ergab auch hier eine volle Übereinstimmung für dieses ?Land im Westen?, dem ?Mutterland?, dem ?Meeresland?, als ?Insel der Seeligen?, ?Land der Ahnen?. Nicht nur, daß sich eine ganze Reihe von Belegen für das im Ozean, im Westen gelegene Todesreich ergaben, auch gewisse Einzelheiten jenes Sagenkreises Irlands und der Bretagne wurden durch die Angabe der klassischen Schriftsteller bestätigt. Auf diesem Wege gelang es endlich, auch den ursprünglichen Namen jenes Landes zu ermitteln, das bei Plato ?Atlantis? heißt. Der Name des Landes und der sich nach ihm benennenden Völker ließ sich aber nicht nur im Abendland und an der West- und Nordküste Afrikas bis nach Vorderasien belegen, sondern ebenfalls in Nordamerika!

Eine weitere sich anschließende ethnologische, kultsymbolische und kultursprachliche Untersuchung nordamerikanischer Völker (Indianer und Eskimos) ergab ihre Zugehörigkeit zu jener ältesten Epoche der von mir ermittelten atlantischen ?Kultur?. Die Befunde der Siedlungsarchäologie Schottland und Irlands und der atlantischen Küstenländer Südwesteuropas und  Nordwestafrikas sowie die anthropologischen Unterlagen würden zwangsläufig zur Annahme einer Völkerwanderung, die von Nordamerika in der jüngeren Epoche der älteren Steinzeit nach Südwesteuropa und Nordwestafrika gelangt sein muß. Mit ihrem Erscheinen steht das Auftreten der Capsien- und Magdalenienkultur in Verbindung. Diese ?Atlantiker? schieben sich als Hautbootfahrer vom Norden durch das Schollengebiet vor, das damals noch die Verbindung zwischen Irland-Schottland einerseits und Nordamerika (Neufundland) andererseits bildete.

Sie waren die ?Meeresbewohner?, die ?Leute des Westens?, die das ?Land am Meere?, das ?Land im Westen?, das ?Mutterland? bewohnten, ein großes Insularschollengebiet, das - infolge der weiteren, westlichen Verschiebung des amerikanischen Kontinentes (Wegener) - untergegangen ist. Wir kennen heute gerade in Verbindung mit England bestimmte der Küste vorgelagerte Schelfgebiete, die sich einst über dem Meeresspiegel befanden. Dasselbe hat die erdgeschichtliche Forschung bei Schweden und Irland feststellen können, die einer nacheiszeitlichen Senkung unter den Meeresspiegel teilweise oder ganz unterworfen waren.
Der Abbruch der einheitlichen Redaktion der mittelmeerländischen und nordländischen Schriftsysteme am Anfang des Widderzeitalters hängt zusammen mit dem Abbruch der Magdalenienkultur. Beide gehen zurück auf das Ausscheiden jenes atlantischen Kultzentrums. Aufgrund dieser kultsymbolischen Feststellungen gewinnen wir eine sichere Unterlage für die untersten Chronologie des Jungpaläolithikums, des Magdalenien.
Das wichtigste anthropologische und rassengeschichtliche Ergebnis der Untersuchung ist aber, daß die Entstehung der nordischen Rasse nun zum ersten Male entwicklungsgeschichtlich sich auf-klärt. Eine vorläufige, vergleichende Untersuchung der Kultsymbolik und kultursprachlichen Elemente der uralaltaischen Sprachen liefert den weiteren Nachweis, daß die Ur- oder vornordische Rasse in der heutigen ?Arktis? entstanden sein muß, in einem Gebiet, das das jetzige ?Grinelland?, Spitzbergen, Grönland u. a. umfaßte. Diese ?arktisch-nordische? Rasse  wurde durch die diluviale Vereisung abgedrängt und wanderte zum Teil nach Nordasien und dem amerikanisch- europäischen Schollenngebiet aus. Als Variation der arktisch-nordischen Urrasse sind die nordamerikanischen Indianer anzusehen, während ebenfalls die Eskimo eine Mixo-variation darstellen, entstanden aus der Berührung zwischen einer protomongoloiden und asiatischen und der ur- oder vornordischen Rasse. In jenem amerikanisch-europäischen Schollengebiet bildete sich dann wahrscheinlich infolge der Eiszeit als Idiovariation die ?atlantisch-nordische? Rasse. Ihre ersten Wellen, die der Südatlantiker, waren die Bewohner des ?Land am Meere?, des ?Westlandes?, der Atlantis. Ihre letzte Welle waren die Nordatlantiker, die ?Tuatha-Völker?, die in der jüngeren Steinzeit von dem damaligen Nordseefestland aus Schottland und Irland vom Norden her eroberten im Kampfe mit den südatlantischen Völkern Südwesteuropas und Nordafrikas. Sie waren es auch, die Nordwesteuropa und Skandinavien besiedelten (?Ur- Germanen?). Sie sind die Träger der Megalithkultur.
Die irischen Siedlungssagen haben uns hier noch eine Fülle der wichtigsten Einzelheiten bewahrt, trotz der späteren keltischen Überschichtung und der Verdunkelung durch die Überarbeitung seitens der christlichen Chronisten.
Die Ahnungen der Anthropologen, die den Cro-Magnon-Rassetypus von Chancelade mit dem Eskimo verbanden und die jungsteinzeitlichen irischen Schädel als die reinrassigsten Vertreter der nordischen Rasse erkannten, werden in vollstem Umfang durch die neue geistesgeschichtliche Forschungsmethode bestätigt. Und die vom Verfasser aufgestellte ethnologische Entwicklungslinie deckt sich andererseits wiederum völlig mit den bisherigen Ergebnissen der jungen blutserologischen Rassenforschungsmethode.
So hebt sich das sagenhafte Bild der Atlantis in geschichtlich greifbarer Gestalt aus den Wellen. Und wenn man nun Einzelheiten der bereits phantastisch ausgeschmückten Überlieferung der Atlantis bei Plato auf ihre geschichtliche Wirklichkeit zurückbringt, erhalten wir eine Reihe von Angaben, die von der urgeschichtlichen Forschung restlos bestätigt werden.
Der Grundriß jener Inselburg der ?Meeresleute? ist nicht nur in den irischen Siedlungssagen enthalten, sondern typologisch in den irisch-schottischen ?Crannogs? (Dumbuck) bewahrt und kehrt wiederholt in den jungsteinzeitlichen Felszeichnungen Irlands und Schottlands wieder. Die Angabe über das kultische Stieropfer an der Säule (Stele), über das Einfangen des Stieres nur mit Schlinge und Keule, als archaischer Ritus von den Königen zu vollziehen, findet ihre Bestätigung in den atlantischen Kulturen des Mittelmeerbeckens. Der Name des göttlichen Gründers dieser Inselwallburg, den Solon auf griechisch ?Poseidon? nennt, findet sich in Westafrika noch in der ursprünglichen Form wieder und entspricht genau dem alten Wort der atlantisch-nordischen Sprachengruppe für ?Burg?, ?Tempel?, ?Gerichtsstätte?, ?Familiengrab? usw.
Daß der Untergang der Atlantis, ihre Senkung unter die Meeresoberfläche sich über eine längere geologische Epoche erstreckt hat, neben katastrophalen Einzelerscheinungen (vulkanischen Ausbrüchen) usw., wird durch die Erwähnung der schlammigen Meeresuntiefen sowie der felsigen, ihrer Humuserde beraubten Randinseln, ebenfalls bestätigt.
Die sonstige Ausschmückung der Atlantis-Überlieferung bei Plato, die für die ausgehende ältere Steinzeit schon die kulturellen Verhältnisse des minoisch-kretischen Zeitalters ansetzt (Verwendung des Kupfers), ist dem Reich der Fabel zu überweisen. Völlig verloren gegangen ist in jener angeblich ägyptischen Überlieferung die rein mutterrechtliche Grundlage des kultischen Lebens der alten Atlantiker-Kultur die sich in dem Kulturkreis der Nordatlantiker, der Tuatha-Völker, besonders bei den Ingväonen am längsten erhalten hat.
In den irischen ?tales? ist es dann auch die ?Göttin?, die ?Fee?, die ?Könistochter?, die ?königliche Maid?, die in dem ?Gefilde der Seeligen?, dem ?Land im Meere? waltet, die Heilkundige, die Wissende. Sie ist es, die dem Bran eine Kunde von dem Lande der Ahnen bringt:
Fern liegt eine Insel,
die Meeresrosse umgleißen,
von wunderbarer Schönheit,
zu schauen wonniglich,
ein Land lieblichen Anblicks,
gehüllt in seinen Dunst,
silberdurchwoben von dem
ewig lichten Tage.
Der Felsen reines Weiß reiht
sich entlang der See,
durchwärmt von der Sonne Gluten?*


Fünf Jahre später
Der obenstehende Aufsatz stellt den unveränderten Abdruck eines im Jahr 1926 geschriebenen Aufsatzes für die Festschrift ?Das deutsche Gesicht? des Verlages Eugen Diederichs zum 30jährigen Jubiläum dar. Er erschien zwei Jahre vor dem ?Aufgang der Menschheit?. Die in dem Atlantis-Aufsatz gezogenen Umrisse haben indessen durch die nunmehr erst fortgeführten Untersuchungen zur Archäologie, Ethnologie und Geistes-geschichte(Mythologie,Kultsymbolik usw.) Nordamerikas eine Bestätigung erfahren, wie es der Verfasser kaum sobald in diesem Umfange erwartet hätte. Das Ergebnis dieser letzten Untersuchung wird auszugsweise in seinem neuen Werk ?Nordamerika: Die neue oder die alte Welt? Symbolgeschichtliche Untersuchungen dies- und jenseits des Nordatlantik?, mit ungefähr 300 Tafeln in Folio, diesen Sommer veröffentlicht werden. Gestützt auf die letzten dänischen und amerikanischen Grabungsergebnisse in Arktis-Nordamerika, weist der Verfasser nach, daß der Inhaber jener nunmehr entdeckten uralten Vor-Eskimokultur, die höher entwickelte ?Thule-Kultur? Zentral-Nordamerikas und ihre noch mythisch überlieferten Träger, die Tur(n)it (Tornit, Tungit usw.), auf jene arktisch-atlantische Urrasse der älteren Steinzeit oder besser Horn- und Knochenzeit des Diluviums zurückgeht, welche er im ?Aufgang der Menschheit? mutmaßlich angesetzt hatte. Diese arktisch-atlantische Urrasse ist erst später von den Eskimovölkern asiatischer Rasse  der Beringstraße verdrängt oder überschichtet und sprachlich eskimoisiert worden. Volklich haben sich Bruchstücke dieser hellhäutigen, helläugigen und hellhaarigen Urrasse in den nördlichsten sogenannten Eskimo-Stämmen (Kupfereskimo, Moschusochsenvolk) erhalten. Der Name Eskimo ist also ein völlig ?komplexer? Begriff. Den gleichen rätselhaften hellen Rassenkomplex können wir bei den nordamerikanischen Indianern, sowohl den nördlichen Dene-Gruppen und anderen, wie bei südlicheren Stämmen, gegenwärtig oder geschichtlich nachweisen. Und in gleicher Weise stoßen wir überall auf entsprechende Überlieferungen von einer Urheimat, dem ?Weißland? im hohen Norden, aus dem sie einst ausgezogen wären, wie die weiße Rasse, ihre Stammesbrüder. Diese Urheimat wäre schweren Naturkatastrophen, Sintflut und Vereisung, anheim gefallen.
Gemeinsames Urgeistesgut   ist  der hohe Monotheismus, dessen Bruchstücke, in stets zusammengehörigen und sich ergänzenden Überlieferungen, sich als das kosmische Erlebnis dieser hochnordischen Heimat ausweisen. In ungeahnt reicher Fülle ist dieser kosmische Urglaube in den vorgeschichtlichen Felszeichnungen Nordamerikas kodifiziert worden, von denen bisher landschaftlich erst wenige Teilveröffentlichungen vorliegen,wie z.B. Julian H. Steward ?Petroglyphs of California and adjoining States?, Berkely 1929. Die vorgeschichtlichen nordamerikanischen Felszeichnungen und diejenigen des arktisch-atlantischen und nordatlantischen Europas sind wie ein Buch, das in der Mitte durchgerissen wurde. Die Teile ergänzen, bestätigen sich, werden erst durcheinander voll und ganz verständlich. Und da die vorgeschichtlichen Felszeichnungen Nordamerikas einen großen Reichtum an kalendarischer Kultsymbolik enthalten, deren Überlieferung bis in die geschichtliche Neuzeit reicht, so ist die Erschließung ihrer Bedeutung möglich; desgleichen ihre zeitliche Bestimmung, weil sie sich auf die Tierkreissymbolik der Wintersonnenwende der jeweiligen Sternbildzeitalter bezieht. Es ergibt sich eindeutig und einwandfrei, daß die gemeinsame nordamerikanisch-altweltliche kalendarische Kultsymbolik mit dem Eintritt des ?Widder-Zeitalters? (Sonne im Sternbild des Widders zur Wintersonnenwende, also um 8000 v.Chr.) stillsteht und abbricht.
Das Vorhandensein eines verbindlichen und vermittelnden Insularkontinentes zwischen Westeuropa und Nordamerika ist aus epigraphischen (symbol-und schriftgeschichtlichen) Gründen unabweisbar. Diese Folgerung wird bestätigt durch die nordamerikanischen Überlieferungen von einer älteren Heimat,Tula (Tolan, Tolan usw.) welche zu den westlichsten, der amerikanischen Küste benachbartesten Inseln des Nordatlantik gehört haben muß. Aus den im ?Aufgang? von mir dargelegten geologischen Gründen werden wir dieses Atlantis-Inselland nördlich von 40 Grad nördlicher Breite anzusetzen haben: der karbonzeitliche Tethys-Ozean bildete seine südliche Grenze.
Unter den heiligen Sinnbildern und Zeichen der Jahres- und Totenkultsymbolik der Winter-sonnenwende dieser unserer gemeinsamen Urreligion finden wir drüben auch das Zeichen aus der Höhle der Externsteine in weiteren Zeichenverbindungen, welche jeden Zweifel über Alter und Bedeutung des Zeichens ein für allemal ausschließen. Auch für die jungsteinzeitliche Überlieferung des Zeichens in der Megalithkultur des atlantischen Europas bringe ich weitere wichtige Belege, wie unter anderen in der Darstellung des Jahreskreises in den Felszeichnungen von Fossum (Schweden), welche der bekannte Berliner Germanist Professor Neckel mit weiteren Tafeln aus meinem ?Amerika-Buch? in dem ?Handbuch für Kulturgeschichte? veröffentlicht, als Bestätigung des heimischen Ursprungs der Runenschrift aus der hohen Kultur unserer Ahnen der Vorzeit.

H.W.    

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Paul Schliemann: Wie ich Atlantis fand!

 

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