Trojaburg
 
 

Zum 100. Geburtstag des Atlantis-Forschers Jürgen Spanuth

Am 5. September 2007 wäre der Pastor und Archäologe Jürgen Spanuth 100 Jahre alt geworden. Mehrere Jahrzehnte war der gebürtige Österreicher in der nordfriesischen Gemeinde Bordelum tätig, die ihm durch den Beruf zur zweiten Heimat wurde. Vor allem aber ist sein Name mit der Entdeckung von Atlantis verbunden, dessen Zentrum sehr wahrscheinlich bei Helgoland lag. Nach einem erfüllten Leben verstarb er 1998 in der Gewißheit, eines der großen Menschheitsrätsel gelöst zu haben.
Das Thema Atlantis wird auch heute noch von den Fachgelehrten weitestgehend gemieden. Zu Unrecht, denn die von Platon niedergeschriebene Legende enthält Spanuths Forschungen zufolge wertvolle Informationen über die bronzezeitlichen Kulturen in Mittel- und Nordeuropa. Das Leben des bedeutenden Privatforschers besaß viele Höhen und Tiefen, an die anläßlich seines Jubiläums erinnert werden soll.
Jürgen Spanuth wuchs in einer Pfarrersfamilie in der steirischen Bergbaustadt Leoben auf. Nach dem Abitur nahm er dort ein Theologiestudium auf, das auch eine gründliche Ausbildung in der Archäologie und in den Geschichtswissenschaften einschloß. Als im Norddeutschen eine Pastorenstelle neu zu besetzen war, folgte er 1933 dem Angebot und wurde den Bordelumern für den langen Zeitraum von 45 Jahren ein guter Pfarrer. Neben dem Beruf galt sein Interesse von Anfang an der Geschichte seiner neuen Heimat an der Nordseeküste.
Die erste Berührung mit dem Thema, das ihn ein Leben lang fesseln sollte, hatte er als junger Gymnasiast. Zu dieser Zeit war er allerdings vom Wahrheitsgehalt der Atlantislegende noch keineswegs überzeugt. So lehnte er einmal das Ansinnen seines Lehrers entschieden ab, einen Aufsatz über die vom griechischen Philosophen beschriebene Inselkultur anzufertigen. Jahre später, 1936, mußte er seine Ansicht grundlegend ändern, als er die neuesten Übersetzungen ägyptischer Tempelinschriften des amerikanischen Historikers J.H.Breasted in den Händen hielt. Spanuth kam der entscheidende Gedanke, daß es sich bei dem Kriegszug der Atlanter gegen Griechenland, Kleinasien und Ägypten nur um den Einfall der sogenannten Nord- und Seevölker in den Mittelmeerraum um 1200 v.Chr. handeln konnte. Bei der Suche nach der Heimat dieser Völkerschaften wurden schließlich seine Blicke auf das nördliche Mitteleuropa gelenkt. Als das eigentliche Kernland von Atlantis betrachtetete er das Verbreitungsgebiet der Nordischen Bronzekultur, das sich von Südschweden über Dänemark bis nach Norddeutschland erstreckte. Hier siedelten nach Ansicht der Archäologen die bronze-zeitlichen Vorfahren der Germanen. Das Kult- und Handelszentrum dieser Region, so fand er schließlich heraus, war die „Heilige Insel“ Basileia östlich von Helgoland. Diese und die benachbarten Inseln sowie Teile des Festlands gingen um 1220 v.Chr. in einer besonders verheerenden Sturmflut unter.

Nach dem 2. Weltkrieg trat er erstmals mit zahlreichen Vorträgen an die Öffentlichkeit. Bald darauf konnte er, von wohlwollenden Gönnern unter seinen Zuhörern unterstützt, Tauch-Expeditionen zum Steingrund östlich von Helgoland ausrüsten. Dabei fanden die Taucher H.Beelte und E.Fries rund um den nur 9 Meter tiefen untermeerischen Hügel Türangelsteine, quadratische Fliesen, durchlöcherte Ankersteine und parallele Steinwälle. Das war bedeutend mehr, als man über 3000 Jahre nach dem Untergang der Marschen und Inseln zu finden hoffte.
Seine bahnbrechenden Erkenntnisse konnte Spanuth erstmals 1953 in seinem Buch „Das enträtselte Atlantis“ veröffentlichen. Doch seine Theorie fand nicht nur begeisterte Anhänger, sondern auch entschiedene Gegner. Mit äußerst unsachlichen Argumenten versuchten einige Wissenschaftler, allen voran eine Gruppe von Geologen an der Kieler Universität, seine Entdeckung zu widerlegen. „Nicht jeder solle sich einbilden, ein Schliemann zu sein, wenn es um die Lösung eines derart schweren Rätsels geht“, konterte man und gab ihm den ironisch gemeinten Beinamen „Schliemann des Nordens“. Da die Vorwürfe und Schmähschriften nicht abrissen, legte Spanuth schließlich beim Landgericht Flensburg Klage ein. Im Jahre 1960 zogen diese Wissenschaftler dann ihre Gegenschrift von selbst zurück.

Trotz dieses Triumphes suchte er in den Folgejahren nach immer neuen Bestätigungen für seine Theorie. Die Hartnäckigkeit seiner Bemühungen verdeutlicht zum Beispiel der Nachweis bronzezeitlicher Kupfergewinnung auf Helgoland, die er aus dem Atlantisbericht ableitetete. Von Seiten einiger Wissenschaftler ließen energische Entgegnungen nicht lange auf sich warten, denn im Gebiet der Nordischen Bronzekultur soll laut Lehrmeinung das seltene Kupfer ausschließlich durch Importe bezogen worden sein. Spanuth wußte aber nicht nur mit theoretischen Argumenten zu überzeugen, sondern unternahm eigenhändig Schmelzversuche in speziell dafür angefertigten Öfen. Und es gelang ihm dabei eine frappierende Entdeckung. Das Helgoländer Kupfererz wurde in einem in Ägypten gefundenen Schwert der Nord- und Seevölker aus der Zeit Sethos II. zweifelsfrei nachgewiesen.
Um die Quellen des Atlantisberichts selbst in Augenschein nehmen zu können, bereiste Spanuth mehrmals das Land am Nil. Vor allem besuchte er den Tempel von Medinet Habu mit seinen Tausenden Quadratmetern eindrucksvoller Reliefs zu Schlachtszenen der Ägypter gegen die Eindringlinge aus dem Norden.

In einer Vielzahl von Aufsätzen in wissenschaftlichen Zeitschriften und in sechs weiteren umfangreichen Büchern verfocht er überzeugend seine Behauptungen. Laien wie Wissen-schaftler schätzten dabei die klare, logische Darstellungsweise in seinen Schriften. Die Arbeit an seinem letzten, im hohen Alter begonnenen Buch „Der Sturz des Phaéthon“ konnte er nicht zu Ende führen. Seine Forschungen wurden aber von anderen Privatforschern aufgegriffen und weitergeführt. So gelangen nach seinem Tod einige Entdeckungen, die seine Theorie ergänzen und ein weiteres Mal bestätigen. Beispielsweise erkannte man die tatsächliche Lage der großen Ebene von Atlantis, und die Verzierungen der bronzezeitlichen „Herzsprung-Schilde“ stellten sich als schematisierter „Stadtplan“ der Hauptinsel Althelgoland heraus.
Viele Wissenschaftler haben dem Bordelumer Forscher in der Vergangenheit ihre Anerkennung gezollt. Trotzdem steht die akademische Fachwelt seiner Theorie skeptisch  gegenüber und lehnt sie größtenteils ab. Zunehmend stellen aber solche sensationellen Entdeckungen wie die „Himmelsscheibe von Nebra“ einige Lehrmeinungen in Frage. „Wir haben diese Kulturen dramatisch unterschätzt“, gestehen inzwischen führende Archäologen ein. Viele Fehlurteile hätten vermieden werden können, wenn man sich mit Jürgen Spanuth, dem vielseitig gebildeten Privatgelehrten, sachlich und mit menschlichem Anstand auseinander gesetzt hätte. Dank seiner bedeutsamen Entdeckungen ist der Vorgeschichts-Forschung eine über drei Jahrtausende alte lebendige Erzählung bewahrt worden, die das Wissen über unsere europäischen Vorfahren wesentlich bereichert.

Bibliographie:

Nordfrieslands Bekehrung zum Christentum / Spanuth, Jürgen.  Berlin (Verl. d. Evang. Bundes) 1939

Das enträtselte Atlantis. Spanuth, Jürgen. - 1. - 8. Tsd.  Stuttg. (Union Dt. Verl.-Ges.) 1953

...und doch: Atlantis enträtselt! Eine Entgegnung von Jürgen Spanuth. Stuttgart (Union Deutsche Verlagsgesellschaft) 1955

Atlantis : Heimat, Reich und Schicksal der Germanen. Spanuth, Jürgen. Tübingen (Grabert) 1965

Die Atlanter : Volk aus dem Bernsteinland. Spanuth, Jürgen. - 1. Aufl. Tübingen  (Grabert) 1972

Die Philister, das unbekannte Volk : Lehrmeister und Widersacher der Israeliten. Spanuth, Jürgen. Osnabrück (Zeller) 1980

Die Phönizier : ein Nordmeervolk im Libanon. Spanuth, Jürgen.  Osnabrück  (Zeller) 1985

Die Rückkehr der Herakliden: das Erbe der Atlanter ; der Norden als Ursprung der griechischen Kultur. Spanuth, Jürgen.  Tübingen (Grabert) 1989

Günter Bischoff

 

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