Trojaburg
 
 

Arminius & die Varusschlacht

Die wohl bekannteste Episode der römisch-germanischen Auseinandersetzungen ist eng verwoben mit der Varusschlacht, der katastrophalen Niederlage des erst seit 7 u.Zt. im Amt befindlichen römischen Statthalters Varus durch die Germanen und ihren Anführer Arminius.
Arminius der Cherusker (Geburtsjahr 19 v.u.Zt.) war bereits als Kind in engeren Kontakt mit dem römischen Feind gekommen. Einiges spricht dafür, daß er bereits als Kind als Geisel zu den Römern kam. Diese wurden zur Besiegelung von Friedensverträgen gestellt und erfuhren eine gute Behandlung, die auch eine Ausbildung und damit eine Heranführung an die „Vorzüge der römischen Zivilisation“ beinhaltete.
Als junger Mann diente Arminius als Kommandeur einer Auxiliareinheit germanischer Reiter und besaß bereits das römische Bürgerrecht, was zu dieser Zeit insofern eine besondere Auszeichnung (oder „Vorschußlorbeeren“?) darstellte, als daß für gewöhnlich Auxiliaroffiziere erst nach Beendigung ihres gewöhnlich 25 Jahre dauernden Wehrdienstes mit dem Bürgerrecht entlohnt wurden.
Im Jahre 9 u.Zt. war die Situation im rechtsrheinischen Germanien relativ gefestigt. Rom kontrollierte das Gebiet bis an die Elbe und hatte bereits mehrere Bauvorhaben für stadtähnliche Siedlungen begonnen, hier mag vor allem die jüngst ergrabene Siedlung bei Waldgirmes mit ihren städtischen Kennzeichen als Beispiel dienen. Mit Varus traf Rom nun Vorbereitungen, für den Aufbau einer Provinzorganisation mit entsprechendem Zensus (Steuererhebung) und damit verbundenen Zwangsmaßnahmen. 1
Doch die germanischen „Hinterwäldler“ mit ihrer „raffgierigen Mentalität“ - wie der Historiker Albrecht Jockenhövel dem Spiegel zufolge in völliger Umkehr der Tatsachen fabulierte, wollten sich dem Segen der römischen Zivilisation nicht kampflos ergeben:    
Nach wie vor zogen sich die römischen Legionen gegen Ende des Jahres in ihre Winterquartiere an den Rhein zurück. Als nun im betreffenden Jahre der Rückmarsch bevorstand, befand sich Varus im Sommerlager in cheruskischem Gebiet an der Weser als er von einem geographisch weiter entfernten Unruheherd in Kenntnis gesetzt wurde (Cassius Dio).
Er beschloß nun auf seinem Rückweg, diesen Unruheherd zu ersticken, wobei er jedoch in einen Hinterhalt germanischer Stämme geriet. Innerhalb von drei Tagen gelang es den Germanen die römischen Verbände fast völlig aufzureiben, Varus selbst gab sich den Tod durch das Schwert, nur wenige Römer entkamen über den Rhein.

Diese als „Varusschlacht“ bekannte Episode gilt als die Besiegelung der Aufgabe der römischen Eroberungspläne des Gebietes östlich des Rheins und somit der Freiheit Germaniens.
Über den Ort der Varusschlacht wurde lange Zeit gerätselt. Als einzigen Hinweis überlieferte Tacitus fast 100 Jahre nach der Begebenheit, daß die Überreste des Varus nicht weit vom „Teutoburger Wald“ entfernt liegen („haud procul teutoburgiensi saltu“).  
So wurde am Ende des 19.Jahrhunderts hier, direkt bei der Grotenburg, die monumentale Siegesstatue Herrmann des Cheruskers errichtet.
Doch bereits Theodor Mommsen vermutete den wahren Schlachtort bei Kalkriese, unweit Osnabrücks.
Nachdem bereits verschiedentlich römische Artefakte im Umkreis Kalkrieses zutage traten, entdeckte der britische Hobbyarchäologe Tony Clunn ein gesamtes Fundarsenal römischer Münzen und Schleudergeschosse. Weitere Ausgrabungen erbrachten neue Fundstücke und Münzen, die allesamt vor dem Jahre 9 geprägt zu sein schienen – dieses in Verbindung mit Spuren einer militärischen Auseinandersetzung schienen das Ende der langen Suche nach dem wahren Ort der Varusschlacht besiegelt zu haben. In Kalkriese wurde ein Museum mit angeschlossenen Freiluftareal eingerichtet welches eine nicht unbeträchtliche finanzielle Unterstützung des Landes Niedersachsen erhält.    

Ausgerechnet in die Vorbereitungen der großangelegten 2000-Jahr Feier in Kalkriese 2009, stoßen nun gewichtige Stimmen, welche die offizielle Lesart der Lokalisierung in Zweifel ziehen. Während es natürlicher Weise immer Forscher gibt, welche die herrschende Lehrmeinung anzweifeln, mehren sich in den letzten Monaten die kritischen Stimmen von angesehenen Forschern, so daß bereits die Printmedien die Geschichte aufgriffen.4
Reinhard Wolters verwies schon 2000 auf den Umstand, daß im Jahre 9 geprägte Münzen einige Jahre hätten benötigen können, um in Germanien in Umlauf zu kommen. Auch die geographischen Verhältnisse bei Kalkriese schienen für Wolters weniger mit den Beschreibungen des geographischen Ortes der Varusschlacht denn mit einer Auseinandersetzung aus    dem Jahre 15 in Einklang zu bringen sein. In diesem Jahr entkam der Legat Caecina nur knapp einem Hinterhalt der Germanen zwischen einem wasserführenden Berg und einem vorgelagerten Moor – eine Beschreibung, die auffallend an die Verhältnisse bei Kalkriese erinnert. Ungefähr einen Kilometer nördlich des Kalkriese Schlachtfeldes verläuft eine zentrale Verkehrsstraße vom Rhein bis zur Weser, die bei der Beschreibung des Verlaufes der Varusschlacht sicherlich erwähnt worden wäre.
Diese und neuere Einwände, wie das Auftauchen von Münzen, die vermutlich erst um 12-14 u.Zt. geprägt worden waren, faßte Wolters in einem jüngst erschienenden Artikel zusammen. Schützenhilfe bekam er dabei vom Historiker Peter Kehne (Hannover) sowie dem Archäologen Stephan Berke (Münster), die vor allem die hoch dotierten Fördergelder für Kalkriese für die zu frühe Festlegung auf den Ort bei Osnabrück verantwortlich machen (Spiegel 11/2004).
Auch Wilm Brepohl zieht in seinen „neuen Überlegungen zur Varusschlacht“ Kalkriese als Ort der Varusschlacht in Zweifel.1 Für ihn muß sich die Schlacht an einem Hauptheiligtum der Istaevonen ereignet haben, unter deren Kultgemeinschaft er die Cherusker, Brukterer, Chatten und Marser subsummiert. (Wells nimmt dagegen an, der Schlachtort wäre erst nach dem Kampf zum Heiligtum erkoren worden, jedoch ist dies insofern unwahrscheinlich, als daß auch an anderen Siegesstätten derartige Heiligtümer zu finden wären.)5 Damit bietet er Antworten auf gleich zwei bislang aufkommende Fragen: Warum konnte Varus von den Germanen überrascht werden, wenn er doch vorher ausdrücklich vor Unruhen gewarnt worden war und warum zog er mit dem gesamten Troß inklusive der Frauen und Kinder in das Unruhegebiet, obgleich in solchen Fällen für gewöhnlich Truppen abkommandiert werden?
 Nur die Versammlung im Rahmen eines zentralen heiligen Festes (im 9-Jahres Rhythmus?) konnte nach Brepohl die Römer dazu veranlassen, eine derart hohe Konzentration germanischer Krieger an einem Ort zuzulassen ohne direkt Verdacht zu schöpfen. Diese Versammlung und damit der Schlachtort muß sich daher irgendwo im Gebiet der Stämme dieser religiösen Obergruppe befinden und zugleich die geographischen Voraussetzungen zur Aufnahme einer hohen Anzahl von „Pilgern“ erfüllen. Desweiteren wollte Varus nicht direkt gegen einen tatsächlichen Aufstand vorgehen, wie es Cassius Dio suggerierte, sondern mit seinem gesamten Zug von drei Legionen, zahlreichen Auxiliareinheiten und dem gesamten Verpflegungstroß inklusive der Frauen und Kinder –also fast 50 000 Personen umfassend – den Germanen auf ihrem Kultfest seine Macht demonstrieren. Dieses Machtspielchen wurde ihm dieser Theorie zufolge jedoch auch zum Verhängnis, denn mit dem Auftauchen der bewaffneten Römer am heiligen Kultort zur heiligen Festzeit mußte er den Zorn aller anwesenden Germanen und die religiöse Verpflichtung aller Germanen, ob eher romfreundlich oder nicht, erwecken. Allein verbleibt der Haken an dieser Theorie, warum denn Varus oder einer seiner schon länger in Germanien befindlichen Offiziere nicht um diesen eklatanten Verstoß der Sitten und der nachfolgenden Konsequenzen Bescheid wußte?
Doch auch die Deutung des „Saltu teutoburgiensis“ als Indikator des Schlachtfeldes rückt immer mehr ins Zentrum der Kontroverse. Bereits Brepohl bemängelt hieran die fehlende Nachprüfbarkeit der Örtlichkeit, F.H. Friebe, ein Forscher aus Halberstadt, gab dem ganzen in seiner Veröffentlichung²  eine völlig neue Deutung, die einiges für sich hat ohne von der Lehrmeinung aufgegriffen worden zu sein:
Nach Friebe bedeutet diese Wendung   „te  uto  burgi  ensi  saltu“„ein Gebiet / Domäne, gesichert von Türmen, geschützt vom Schwert“, wodurch die Übersetzung des saltus=Wald sich ebenso als Zirkelschluß herausstellt, wie das Adjektiv „Teutoburger“, denn das besagte Gebiet wurde erst in der Neuzeit so benannt.
Nicht im Teutoburger Wald oder bei Kalkriese wurde die berühmte Schlacht demnach geschlagen, sondern im Nordharzgebiet, auf der Fläche eines  römischen Saltus bei Halberstadt, bei einer im Bau befindlichen Stadt namens „Varia“, und zwar am 29. Juli des Jahres 9 n. Chr.
Für die akademische Forschung ist jedoch sowohl die Übersetzung als auch die Lokalisierung bei Halberstadt nicht haltbar. Die von Friebe erwiesene Funddichte sei typisch für den Austausch zwischen Römern und freien Germanen und bei Halberstadt eher geringer als anderswo.
In einem anderen Bereich zeichnet sich dagegen zunehmend Übereinstimmung ab. So sind sich die Forscher heute weitgehend einig, daß die Varusschlacht nicht das Ende der römischen Germanienpläne bedeutete. Erst mit den Feldzügen des Germanicus zwischen 11 und 17 u.Zt., entschied sich das Schicksal Germaniens und damit Mitteleuropas.
Denn nach der schweren Niederlage rüstete Rom auf: 8 Legionen mit fast 100 000 Legionären und Hilfstruppen und fast 1300 Kriegsschiffe standen in über 20 Kastellen entlang des Rheins bereit zur Großoffensive. In den folgenden Jahren gelangen Siege über Verbände der Marser, Brukterer, Chatten und auch die Cherusker selbst („Idistaviso“), indes blieb die vernichtende Niederlage der Germanen aus, oft begnügte man sich seitens Rom nach siegreichen Scharmützeln und germanischem Rückzug mit der Verwüstung weiter Landstriche und Vernichtung der Lebensmittelreserven. Arminius, der als Anführer der germanischen Allianz trotz aller interner Streitigkeiten in seiner Stellung gefestigt war,  vermochte dagegen den Römern immer wieder empfindliche Neiderlagen zumeist aus dem Hinterhalt beizubringen. Die „Schlacht am Angrivarierwall“ wurde zwar noch von den Römern unter schweren Verlusten positiv beschieden, doch die „Schlacht an den langen Brücken (pontes longi)“ die man vereinzelt nunmehr bei Kalkriese lokalisiert, war nur eine von vielen Niederlagen, die schließlich das Unternehmen in Germanien mit dem Verlust von 25 000 – 30 000 Soldaten im Jahre 17 u.Zt. beendete – nicht jedoch ohne das Gesicht zu wahren: Germanicus bekam einen Triumphzug eines siegreichen Feldherrn bei dem er als letztem Triumph die Frau des Arminius, Thusnelda, und deren gemeinsamen Sohn Thumelicus,  als Gefangene mitführte, entgegen seiner Zusage an Segestes, zugleich Vater der Thusnelda und erbitterter Gegenspieler des Arminius, dessen Sippe zu schonen.                  
            Dennis Krüger

Literatur:
Wilm Brepohl: Neue Überlegungen zur Varusschlacht. Detmold 2004 (1)
Reiner Friebe: „gesichert von Türmen, geschützt vom Schwert. Halberstadt 2004 (2)
Ernst A. Schomer: Arminius - Liberator Germaniae. Tübingen 2000 (3)
Peter S. Wells: Die Schlacht im Teutoburger Wald. Düsseldorf 2006 (5)
Spiegel 11/2004 (4)

 

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