Trojaburg
 
 

Hitler lebt? Zur Variation der Sage vom Kaiser im Berg

 

          von Dennis Krüger

Eine der bekanntesten Legenden rankt sich seit 1945 um die angebliche Flucht Adolf Hitlers aus dem Bunker in Berlin 1945. Noch während des Krieges kam diese Mythe auf, wobei insbesondere Sowjet-Führer Josef Stalin den Berichten von Hitlers Selbstmord mißtraute und eine umfangreiche Untersuchung durchführen ließ. Genährt wurden die Gerüchte eines lebendigen Hitlers vor allem durch widersprüchliche Zeugenaussagen, die sowohl über den genauen Ort als auch die Ursache dessen Todes variierten.

Presseberichte über Augenzeugen, die Hitler nach 1945 an den verschiedensten Orten begegnet sein wollten, taten ihr Übriges zur Untermauerung dieser Legende. Nachdem aber Sowjetrußland bekannt gab, die sterblichen Überreste Hitlers und seiner Frau Eva Braun 1945 aufgefunden zu haben, verstummten die Gerüchte nach und nach. Tatsächlich ergab auch eine 2006 durchgeführte Untersuchung des in Moskau aufbewahrten Gebisses, das Hitler zugeschrieben wird, eine Übereinstimmung mit dem Zahnbild des Reichskanzlers, wie es vor dem Krieg angefertigt worden war. 2010 gab es jedoch erneut Anlaß für Zweifel: Eine durchgeführte anthropologische Untersuchung von in Moskau aufbewahrten Fragmenten des vorgeblichen Hitler-Schädels ergaben, daß sie weiblichen Ursprunges waren !1

 Dieses Ergebnis läßt zwei Schlußfolgerungen zu: Entweder wurden Skelettreste vertauscht, so daß eventuell Eva Brauns Schädel als der Hitlers registriert wurde. Oder aber, die aufbewahrten Reste stammen tatsächlich nicht von Hitler, so daß damit der einzige physische Beweis der damaligen Todesumstände des Reichskanzlers entfallen würde.

In einem kürzlich publizierten Artikel stellt der australische Autor Giordan Smith die Theorie auf, Hitler sei von Hanna Reitsch, der Testpilotin, die den Reichskanzler noch am 26. April gemeinsam mit General Ritter von Greim in Berlin besuchte, ausgeflogen worden.2 Reitsch berichtet in ihrer Biographie zwar von diesem Angebot an Hitler, dieser habe aber entschieden, in Berlin zu sterben. Allerdings führt Smith als Zeugen den damaligen Volkssturm-Angehörigen D. Protsch an, der miterlebt haben will, wie ein  Waffen-SS Funker die Flucht Hitlers bestätigte.

Auch ein kürzlich erschienenes Buch unter Mitarbeit des Verschwörungsspezialisten Jan van Helsing führt eine Reihe von Augenzeugenberichten an, die eine Flucht des Ehepaares Hitler nach Argentinien nahe legen.3 Das Problem an den Aussagen argentinischer Gewährsleute liegt darin, daß ihr Wahrheitsgehalt kaum zu überprüfen ist. Selbst wenn es sich nicht um ausgedachte Geschichten handelt, kann nicht ausgeschlossen werden, daß es bei den beobachteten Personen um Doppelgänger oder Leute handelt, die Adolf Hitler und Eva Braun ähneln. Die Frage bleibt auch, welches Motiv Hitler gehabt haben soll, wenn er nach seiner Flucht nie mehr öffentlich in Erscheinung trat, mal abgesehen vom Wunsch nach Überleben.

Ungeachtet des Wahrheitsgehaltes dieser Spekulationen, erinnern sie stark an eine Sage, die sich kontinuierlich durch die vergangenen Jahrhunderte hindurch verfolgen läßt: Die Sage vom „Kaiser im Berg“ - oder, wie Julius Evola sie bezeichnet: „Die Sage von dem ghibellinischen Kaiser, der im ‚Berg‘ der Wiedererweckung harrt, um mit seinen Getreuen die letzte Schlacht zu schlagen.“4  

Die bekannteste Variante dieser Sage steht in Zusammenhang mit Kaiser Friedrich I. „Barbarossa“: Dieser  soll in einem unterirdischen Schloß - der Barbarossa-Höhle im Kyffhäuser-Gebirge - solange schlafen, bis Zwietracht und Unglück seiner Heimat ein Ende gefunden haben - oder einer anderen Deutung zufolge, bis Deutschland geeint ist. Sein Bart wächst um einen runden Tisch. Bis jetzt reicht er zweimal herum, doch wenn er die dritte Runde beendet hat, beginnt das Ende der Welt oder Barbarossa wacht auf und beginnt seine Herrschaft erneut. Und es heißt, bis dahin wird kein guter Kaiser mehr kommen. Alle 100 Jahre beauftragt er einen Zwerg - in anderer Variante einen Hirten, der sich in die Höhle verirrt hat - nachzuschauen, ob die zwei Raben noch um den Berg kreisen. Ist dies der Fall, so schließt der Kaiser seufzend die Augen, schläft und träumt abermals 100 Jahre. Erst, wenn der Bart ganz um den runden Marmortisch gewachsen ist und ein mächtiger Adler in stolzem Flug sich aufschwingt, den Berg umkreist und den Rabenschwarm verscheucht, erst dann wird der Kaiser mit seinen gleichfalls verzauberten Getreuen erwachen.5

Neben Barbarossa wurde die Sage auch auf dessen Enkel, Kaiser Friedrich II. - aufgrund seiner vielseitigen wissenschaftlichen Interessen auch „das Staunen der Welt“ genannt - bezogen. Während diese Sage im deutschen Sprachraum von Beginn an das Kyffhäuser-Gebirge als Ruheort ansah, war es in Italien der Vulkanberg Ätna, in dem Friedrich II. als König von Sizilien ruhe.6 Hintergrund dieser Variante war Friedrichs Auseinandersetzung mit dem damaligen Papst, die zur Folge hatte, daß noch zu Lebzeiten der Klerus eine Lehre vom Antichrist verbreitete und die Erwartung eines gewaltigen Strafgerichtes hegte. Da das erwartete Unheil aber ausblieb, glaubten Anhänger des Papstes nicht an ein plötzliches Verschwinden Friedrichs. Sie vermuteten, der König lebe in geheimnisvoller Weise weiter. Der Chronist Johann von Winterthur berichtete 1348:  „Er (Friedrich) wird mit der Herrlichkeit des Reiches zurückkehren... und alle Gerechtigkeit erfüllen. Die Pfaffen aber wird er furchtbar verfolgen und die Mönche ... von der Erde vertilgen.“7

Eine andere Variante bezieht sich auf den Untersberg bei Salzburg, in dem Kaiser Karl der Große in ähnlicher Weise ruhe.8

Indes reicht die Sage noch weiter zurück und ist verwandt mit dem Gralsmythos sowie der Arthus-Sage. Gemäß dieser sei Arthus bei seinem nahenden Tod auf die Elbeninsel Avallon gebracht worden, wo er seiner Gesundung harrt. Ebenso wartet der dahinsiechende Gralskönig Amfortas auf einen Recken, der ihm die richtige Frage stellt und ihn somit erlöst. Eine Verwandtschaft besteht auch zum Odin-Mythos, der am Baum hängt und Nachrichten von seinen beiden Raben erhält. Dahinter steht stets die alte indogermanische Mythe der im Winter schlafenden bzw. gefangenen Sonne und dem sie befreienden Sonnen- bzw. Lichtbringergott, der im Winter in die Unterwelt hinabsteigt, um diese zu befreien.9

In diese uralte Tradition wird nun Hitler gerückt, wenn er als in einer unterirdischen Basis in der Antarktis ausharrend beschrieben wird, bis er mit seinen Flugscheiben erscheint, um Deutschland aufs neue zu erretten. Zur Anwendung dieses Mythos ist es aber unverzichtbar, daß sein Schicksal ungeklärt bleibt, sein Selbstmord also nicht tatsächlich nachweisbar ist.

 

Miguel Serrano, der Begründer des sogenannten „esoterischen Hitlerismus“ schreibt dazu: „Seit beinahe 40 Jahren wiederhole ich, daß Adolf Hitler nicht im Bunker in Berlin gestorben ist. Die geheimen Führer des esoterischen Hitlerismus sind mit ihm in Richtung der polaren Zufluchtsstätten der Weißen Götter aufgebrochen, genauso wie es früher die unbekannten Führer der wahren Rosenkreuzer, der Wikinger, der Westgoten, der Trojaner und der hyperboräischen Siddhas getan haben.“ Doch der chilenische Autor, der den neben Hitler wirkenden unbekannten Eingeweihten die Einweihung gewisser Kreise der SS auf der Wewelsburg zuschreibt, geht noch einen Schritt weiter: Für ihn ist Hitler der 10. Avatar Vishnus, der gemäß der indoarischen Überlieferung als „Kalki Avatar“ erscheinen und das dunkle Zeitalter seinem Ende zuführen wird : „Und so wird es kommen, denn sein Sieg (des Demiurgen Yahwe) hat schon begonnen sich zu neigen, weil sich am Mittag des längsten Tages die Mitternacht bereits ankündigt.... Im Synchronismus der Hitlerschen Einweihung, wenn der Virá sich in einen Divya verwandelt hat, öffnet sich das Fenster der Venus, die kreisende Tür der Schwarzen Sonne, des „Schwarzen Lochs“ in der Mitte des Swastika Levogria und der Divya oder Siddha verschwindet für immer aus der Sicht der Sterblichen.... Er ist zur Region des Tulku übergegangen, zu dem , „der dort ist“ und auch hierher zurückkehren kann. Der auf einem weißen Roß, auf seinem Schwan, in einem Vimana zurückkehrt, die Feinde zu richten und die Seinen zu befreien.“10   

Einige Indizien sprechen sogar dafür, daß Hitler selbst dieser Legende den Boden bereitet hat. Dafür sorgte seine - freilich umstrittene Äußerung, „Ein Volk, das einen solchen Widerstand hat leisten können wie das Deutsche, bereitet den Boden für ein neues Aufblühen der Menschheit. Am Ende dieses Krieges wird das letzte Bataillon ein deutsches sein.“11  Und auf die Frage seines Dieners Heinz Linge, für wen sie dann, nach Hitlers nahendem Tod kämpfen würden, soll dieser geantwortet haben: „Für den, der da kommen wird.“

Das deutet gemäß Serrano darauf hin, „daß er wußte, daß der Krieg damals dort nicht zu Ende war, und daß die letzten Bataillone sich bereits in der anderen Erde, im Inneren befanden, und daß er sich dort mit ihnen vereinigen würde. Wie der Prophet Enoch in der Sage, entschwindet Hitler in einem Feuerwagen, ohne ... irgendwelche Spuren zu hinterlassen“.12

 

Anmerkungen:

1) Der US-Forscher Nick Bellantoni, Professor für Anthropologie und Staatsarchäologe des US-Bundesstaates Connecticut, hatte nach Untersuchung von DNA-Resten, die er aus einem Stück Hitlers vorgeblichen Schädels gewinnen konnte, bilanziert: „Der Knochen umschloß einst ein weibliches Gehirn“;  www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,652024,00.html; im Dezember 2009 wies der Moskauer Archivleiter Christoforow dies zurück. „An uns haben sich diese Forscher nicht gewandt und womit hätten sie die DNA auch vergleichen sollen?“ Außer in Moskau gebe es keine sterblichen Überreste des Nazi-Diktators; www.azonline.de/aktuelles/aus_aller_welt/aus_aller_welt/1230409_Allgemeine_Zeitung_Aus_Aller_Welt.html; scheinbar übersieht Christoforow aber die Tatsache, daß zur Geschlechtsbestimmung keine Vergleichs-DNA notwendig ist .

2) Smith (2008), S. 55

3) Basti (2011)

4) Evola: (1928), S. 109

5) Friedrich Rückert: Die Barbarossa-Sage

6) vgl. dazu Wikipedia: Friedrich II. (HRR)

7) vgl. www.kyffnet.de/Geschichte/Sagen/sagen.html

8) www.salzburg.com/wiki/index.php/Kaiser_Karl_im_Untersberg

9) vgl. Das Symbol der Trojaburg. In: Trojaburg 3/2006

10) Serrano (2010), S. 5 / 98

11) zit. nach Serrano (1987), S. 155; vgl. dazu Smith (2008), S. 49, der berichtet, Himmler hätte die Legendenbildung um Hitler geplant

12) Serrano (2010), S. 156

 

Literatur:

Basti, Abel: Hitler überlebte in Argentinien. Fichtenau 2011

Evola, Julius: Das Mysterium des Grals. Schwarzenburg 1978

Serrano, Miguel: Das Mysterium des Grals. Bottrop 2010

Trojaburg 3/2006

 

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