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J.O. Plassmann: Rezension Irdische Unsterblichkeit

Irdische Unsterblichkeit

Das Buch ist alles in allem eine ausgezeichnete Darstellung einerwesentlichen, man darf wohl sagen, der wesentlichen Seite germanischen Glaubens. Der Verfasser stellt mit sicherem Blick für das Entscheidende die germanischen Zeugnisse für den Glauben an die Wiedergeburt des einzelnen in menschlicher Gestalt dar,wobei er schon aus den antiken Zeugnissen über die Germaneneinige wichtige Belege anführen kann.Den breitesten Raum nehmen natürlich die einzigen von Germanen für Germanen geschriebenen Quellen ein, die isländischen Sagas und die verwandten Überlieferungen aus dem übrigen Norden. Diese Zeugnisse sind schlechthin überzeugend; vor allem wegen der von Eckhardt zum ersten Male dargestellten Übereinstimmung von Namentafeln und Namengebung, aus der er mit Recht folgert, dass nur der Name eines Verstorbenen aus der Sippedem neugeborenen Kinde beigelegt wurde – in den meisten Fällen der eines unmittelbaren Vorfahren. So sind Namenweihe und Wiedergeburtsglaube aufs engste miteinander verbunden; was ohne weiteres einleuchtet, wenn man bedenkt, dass der Name den Germanen etwas anderes war, als eine äußere Zutat, nämlich ein untrennbarer _Bestandteil ihres Wesens selbst. Die Zeugnisse aus Dänemark, Norwegen und Schweden erhärten diese Auffassung für den germanischen Bereich.Durch einen Vergleich mit den übrigen _Indogermanen vermag der Verfasser es wahrascheinlich zu machen, dass der _Glaube an eine _Wiedergeburt in der Sippe gemein-indogermanisch ist; freilich sind bei –griechen und Italikern die alten Auffassungen stark verblasst, sie lassen sich am besten noch bei Thrakern, Slawen, Indo-Iraniern erweisen. Wie Eckhardt an einer Menge von Beispielen  nachweisen kann, ist der Brauch der Namensweihe in Verbidnung mit der WEasserweihe mit dem dem eigentlichen Wiedergeburtsakt gleichbedeutend. Mit diesem erlischt das Aussetzungsrecht, das Wergeld tritt in Kraft, und der Wiedergeborene ist erst jetzt voll in die Sippe aufgenommen, ja im eigentlichen Sinne wiedergeboren. Eine besondere Rolle spieltin diesemZusammenhang die Frsit von neun Nächten nach der Geburt, innerhalb derer nach germanischer Auffassung sich erst die volle Wiedergeburtvollzieht; was überseinstimmend aus den Rechtsauffassungen der germanischen und auch indogermanischen Quellen hervorgeht. Zu den Voprstellungen, auf die Eckhardt duiese Neunnächtefrist zurückführen kann, darf man vielleicht auch die analogie zwischen den neun Tagen und den neun Monaten der Menschwerdung hinzufügen; denn solche Analogien spielen im Volksglauben eine gewisse Rolle (zwölf Nächte als Analogie der zwölf Monate usw.). Ganz unbeweisbar sind die von Wolfgang Schulz konstruierten angeblichen neuntägigen Wochen des sogenannten arischen Mondkalenders (S. 98). Wohlö aber spielt in den Sagen die neuntägige Hochzeit eine große Rolle (Thidekssaga); man darf auch an die neun Frauen an der Wiege des Neugeborenen denken(vgl. meinen Aufsatz „Wintersonnenwende in der Symbolik des Kivikgrabes“, Germanien 1 / 1939). Alles in allem zieht Eckhardt aus den zahlreichen Zeugnissen mit Recht den Schluß, dass der Wiederverkörperungsdglaube in der gleichen Gestalt, die wir in den germanischen Quellen der ersten der Jahrhunderte unserer Zeitrechnung nachweisen können, ursprünglich allen Indogermanen eigen gewesen ist. Das ist eine Feststellung von außerordentlicher Wichtigkeit.Im Laufe seiner Untersuchungen hat der Verfasser sich allerdings, durch andere Forschungen beeinflusst, auf unrichtige Nebenwege locken lassen, die nicht notwendig mit seinemHauptforschungsziel zusammenhängen. Seine Auffassung von dem angeblich späteren Eindringen des „Wodanismus“ gibt z.T. Kummers einseitige Meinungen auf diesem Gebiete wieder, die schon dadurch wiederlegt werden, dass laut wortkubndlichem Befunde der Wodan viel älter sein muß, als es dieser Auffassung entspricht. Es besteht auch kein Anlaß, einen Gegensatz zwischen der Vorstellung von dem wilden Heere und dem Wiederverkörperungsglauben zu konstruieren. Da auch nach den von Eckhardt beigebrachten Zeugnissen eine gewisse Zeit zwischen Tod und Wiedergeburt vergeht, so dürften die Angehörigen des Wilden Heeres ursprünglich solche Seelen gewesen sein, die der Wiederverkörperung harrten. Das wird auch durch die griechische Vorstellung vom Heere der Hekate wahrscheinlich gemacht.Es ist ein untauglicher versuch, das angebliche Aufkommen des „Wodanismus“ bei den Cheruskern mit den angeblichen Menschenopfern nach der Varusschlacht begründen zu wollen (S. 60). Über diese „Menschenopfer“ vgl.meinen Aufsatz „Die Menschenopfer nach der Varusschlacht“ (Germanien IV, 1934). Übrigens war Wodan keineswegs der einzige Gott, dem Menschenopfer dargebracht wurden. So darf auch die Sage der Langobarden von ihrer Namensweihe durch Wodan  keineswegs mit ihrem angeblichen Übergang zum Wodanskult glöeichgesetzt werden (S. 58); der Sinn ist lediglich der, dass Wodan mit dem Namen Sieg verleiht.Der „Traum von Walhall2 hat mit dem Wodanismus ursprünglich nichts zu tun; Walhall ist offenbar nur eine abgeänderte Vorstellung von dem Leben im Grabhügel, die ja der Vorstellung vom Sippengrab ebenfalls eigen ist.Wenn da ein Gegensatz erscheint, so ist dieser nur auf die Verhältnisse einer späteren Zeit mit einem Gegensatz zwischen „Bauernglauben“ und „Kriegerglauben“ zurück zu führen.Aus den Berichten des Jordanes über den Gesetzgeber Dikineus kann man ebenso wenig wie auas anderen ähnlichen Berichten auf eine „einführung des Wodfanskultes“ schließen (S. 58). Daß der Wodanskult Schuld tragen soll an der Sitte der Namensvariierung (S. 59), ist ebenfalls unerweisbar.Mit diesen Auffassungen hängt es denn auch zusammen, wenn Eckhardt sich die glöeichsetzung des von Snorri Sturluson berichteten Kampfes zwischen Asen und Wanen mit dem Einbruch der indogermanischen Streitaxtleute in den Raum der angeblichen vorindogermanischen Megalithkultur uzu eigen macht – vor allem aber die folgerungen, die er daraus zieht. Otto Reche hat eindeutig nachgeweisen, daß man bei der fälischen Megalithrasse und der „nordischen“ indogermanischen Rasse überhaupt nicht von zwei Rassen, sondern nur von Variationen ein und derselben Rasse sprechen kann. So ist es ein grundsätzlicher Fehler, für den man aber weniger den verfasser als seine sprachkundlichen Gewährsmöänner verantwortlich machen muß, wenn immer noch mit der Behauptung gearbeitet wird, einige dem Nord-Osteee-Gebiet eigentümlichen Worte wie Geest, Haff, Hafen, seien aus dem Indogermanischen nicht erklärbar, und somit könnten die Indogermanen nicht aus diesem Gebiete stammen (S. 115). Den Gegenbeweis bezüglich der genannten Worte werde ich demnächst führen; es ist aber bedauerlich, daß solche Behauptungen, die doch im Grunde auf den sattsam bekannten S. Feist zurückgehen, in ein Werk Eingang finden, das sonst so völlig in indogermanischem Geiste geschrieben ist. Daß Indogermanen und Megalithrasse Zweige eines Stammes sind, hat Herbert Meyer in „Rasse und Recht bei den Germanen und Indogermanen“ schlüssig dargelegt.Zu welchen Trugschlüssen das Operieren mit sprachlichen und kulturgeschichtlichen Vorurteilen führt, zeigen Eckhardts Ausführungen über Njörd und Nerthus als angeblich vorgermanische „Wanengottheit“ (S. 114 ff.). Die ursprünglich weibliche Nerthus soll von den eindringenden Indogermanen entsprechend deren „vaterrechtlichen Auffassung“ vermännlicht und zu Njörd geworden sein. Einmal wird behauptet  (S. 113), dass Jüten, Sachsen und Friesen, die gleich von den übrigen Ingävonenin Gebieten siedelten, in denen die vorarische Megalithkultur niemals eine Rolle spielte“ (!), eione sehr viel rauere Einstellung zur Frau gehabt“ hätten, und darin „den überigen Indogermanen ähnelten“; gleich darauf aber wird die „mutterredchtliche“ Nerthus von den Stämmen der Reudigner, Avionen, Angeln, Wanen, Eudosen, Suardonen  und Nuitonen gemeinsam verehrt, und zwar angeblich in einem vorgegermanischen Haine (S. 114). Nun sind aber die zuerst genannten Stämme mit den letzteren so eng benachbart, dass es ganz unmöglich ist, zwischen ihnen eine Grenze nach „Megalithkultur“ und „Vaterrecht“ zu ziehen. Die ganze Konstruktion werledigt sich aber von selbst gerade durch den sprachlichen Befund: denn der Name der „mutterrechtlichen“ und „vorarischen“ Nerthus ist zqweifwellos germanisch und indogermanisch; (vgl. R. Much, Die Germania des Tacitus, S. 351 f.); der Übergang zumn männlichen Geschlecht im späteren altnordischen ist ebenfalls aus sprachlichen Grümnden zu erklären (Ebd. S. 352).Man sollte sich überhaupt hüten aus der Einteilung in muitterrechtliche und „vaterrechtliche“ Völker eine starre Konstruktion uzu machen  und lebendige in ein Schema zu zwingen. Wenn die Frau bei den Germanen ganz zweifgellos eine ubngleich höhere Stellung einnimmt als bei den übrigen Indogermanen , so ist das aus einer Grundtatsache sehr leicht zu erklären, die aber gerade für die Heimat des Indogermanen im Nord-Ostsee-Raum spricht: Bei langdauernder Sesshaftigkeit auf bäuerlicher Grundlage entwickelt sich ganz von selbst eine zentralere Stellung der Frau als bei Völkern, die auf langer Wander- und Kriegsfahrten neue Wohnsitze gewonnen haben und dort mit unterworfenen Völkern in Berührung kommern, Sklavinnen und Kebsen haben und dem kriegerisch-männlichen Element notwendig den Vorrang einräumen müssen. So aber erscheint die westfälische Bäuerin, die vom Herde aus das gesamte Haus übersieht, nicht etwa als „Relikt“ aus der „vorindogermaqnischen“ Megalithzeit, sondern als Urbild der indogermanischen Frau. Sie ist der verehrte mittelpunkt des 2Heimes“, und nicht nur die Trägerin juristischer Begriffe; wie man überhaupt diese unmittelbar aus den Lebenstatsachen hervorgehenden Verhältnisse nicht mit juristischen Augen ansehen sollte. So erscheint mir keinerlei Beweis für die „mutterrechtliche Struktur der vorindogermanischen Megalithrasse“ (S. 117) gegeben zu sein. Es muß überhaupt immer wieder betont werden, daß die aus der allgemeinen Völkerkunde gewonnen Begriffe und Kosntruktionen nicht ohne weiteres auf die nordischen Indogermanen angewandt werden dürfen, denn diese stellen - wie Eckhardt übrigens häufiger selbst betont - einen in jeder Hinsicht einmaligen Sonderfall dar. Es ist auch kein Beweis vorhanden für die  Behauptung: „Für die Megalithrasse ist das Grab die dauernde Wohnung des Toten; für den Arier, deran die Wiederverkörperung glaubt, bedeutet es nur einen kurzen Zwischenzustand.“ (S. 125)Das heißt, willkürlich eine weitere Scheidewand zwischen diesen naheverwandten und wahrscheinlich rassegleichen Völkern aufzurichten. Auch die Brandbestattung - die sich doch keineswegs gleichzeitig mit dem Einbruch der Streitaxtleute auszubreiten begann - kann in keiner Weise als Beweis dafür herangezogen werden. Gewiß kAnn sie von dem Gedanken ausgehen, daß die Seele unabhängig von ihrem materiellen Substrat weiterlebt; die Verfechter der heutigen Feuerbestattung gehen aber vielfach von der entgegengesetzten Annahme  aus, und so kann daraus zum mindesten kein Beweis dafür gewonnen werden, daß die Megalithleute etwa diesen Gedanken  nicht gehabt hätten. Es scheint mir übrigens ein anderer Grundgedanke bei der Leichenverbrennung mitzuspielen, als die bisherigen Theorien annahmen; nämlich die Wiedergeburt durch das Feuer, wofür ich eine zusammenhängende Kette von Vorstellungen bis in den neueren Volksbrauch hinein erbringen kann. Sie erscheint öfters in Parallele mit dem Gedanken der Wiedergeburt aus dem Wasser, der aus nichtjüdischer Herstellungswelt auch in das Christentum Eingang gefunden hat (‚nini quis renatus fuerit ex aqua et e spiritu...‘).diese Stelle leigt übrigens dem Bericht Grevors von tours über die Taufe des Ingomar zugrunde ((„das Band der Wiedergeburt“), die Eckhardt zitiert (S. 61). Er hält es daher für zu gewagt, hier das Wort „wiedergeburt“ auf Wiederverkörperungsvorstellungen zu deuten. Möglicherweise gehen aber germanische Wasserweihe und christlicher (Tauf-)Brauch beide auf den Gedanklen der Wiedergeburt aus dem wasser zurück. Denn die Waserbegießung gehört auch zu den Initiationsriten, die sich lange im Volksbrauch erhalten haben.Diese Einwendungen, die sich nur auf irrtümliche und unnötige Nebenwege beziehen, sollen den Kern des Buches nicht berühren. Es ist eine äußerst wertvolle, überzeugende und innere Anteilnahme weckende Arbeit, was den Grundgedanklen angeht; und insofern werden sich alle weiteren Arbeiten auf diesem Gebiete darauf stützen und sich damit auseiandersetzen müssen.

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