Trojaburg
 
 

Otto Rahn & der Kristallschädel

Gralsforscher Otto Rahn
Kristallschädel

Zur Authentizität einer Depositarliste aus der Zeitschrift „Mysteries“

Der Heilige Gral, die Bundeslade, die Kristallschädel - allesamt Reliquien, auf deren Spuren sich die Nazis befanden - zumindest wenn es nach den Drehbüchern der von US-Regisseur Steven Spielberg verfilmten Indiana Jones-Reihe geht. Versatzstücke dieser Szenarien finden sich jedoch nicht nur in Romanen, sondern auch in Sachbüchern, vorwiegend aus dem Genre  der anglo-amerikanischen Verschwörungsliteratur.
Hier wird die vorgebliche Gralssuche der Nazis immer wieder mit dem Jerusalemer Tempelschatz in Verbindung gebracht, der 68 nach Christi Geburt von den Römern erbeutet und in ihre Stadt verbracht worden sein soll.1 Von hier hätten ihn Alarichs Westgoten bei der Eroberung Roms 410 in ihre neue Heimat, das Languedoc, mitgeführt. Legenden zufolge sei er hier irgendwo versteckt worden, bis ihn die Katharer, die Erben der Westgoten, übernommen hätten. Spanischen Überlieferungen zufolge lag das Versteck in der bereits erwähnten Grotte des Herkules. In dieser gigantischen Höhle habe dann der deutsche Forscher Otto Rahn den „Schatz“ geborgen.
Nach seinem mehrjährigen Aufenthalt im südfranzösischen Languedoc wurde der „Gralsforscher“ Rahn 1935 von Himmler-Berater Wiligut-Weisthor für die SS rekrutiert und arbeitete zu Beginn als Referent in der Abteilung Weisthor im RuSHA bevor er im März 1936 in den Persönlichen Stab Himmlers wechselte.2 Ohne feste Funktion stand er für verschiedene Sonderaufträge Himmlers zur Verfügung , bekam aber in dieser Stellung auch jeden Spielraum, sich auf seine Forschungen zu konzentrieren. Nach Recherchen für die Erstellung des Stammbaums Himmlers - mit dem er über viele Ecken sogar verwandt war3 -, arbeitete Rahn an verschiedenen Buchmanuskripten und unternahm – oft mit seinem Mentor Weisthor gemeinsam - verschiedene Exkursionen zu deutschen Gralsburgen.
1937 war Rahn dann in „geheimer Misison“ für Himmler tätig, bevor aufgrund von Verfehlungen im Zusammenhang mit auschweifendem Alkohokonsum einen Strafdienst im KL Dachau verrichtete.
1939 dann fiel Rahn plötzlich in Ungnade. Rahn-Biograph H.J. Lange zufolge, war seine Homosexualität bekannt geworden. Himmler stellte ihn daraufhin vor die Wahl: Selbstmord oder unehrenhafte Entlassung und Disziplinarverfahren. Rahn entschied sich im Februar 1939 für den Selbstmord in den Tiroler Alpen.
Soweit der aus den Akten ersichtliche, offizielle Lebenslauf Rahns.
Inoffiziell jedoch ranken sich Spekulationen nicht nur um Geheimaufträge Rahns zur Bergung des Grals im Languedoc, sondern auch über sein Weiterleben nach 1939. Legenden, für die keine authentischen Quellen existieren.
Vor wenigen Monaten jedoch gewann die Frage nach der Gralssuche und der Tätigkeit Otto Rahns neue Aktualität. In ihrer März/April-Ausgabe 2011 präsentierte die Zeitschrift „Mysteries“ eine vorgebliche Original-“Depositarliste“ vom 11. April 1945. Auf dieser durch die Gauleitung Schwaben vorgenommenen Abschrift einer vierseitigen Liste aus dem SS-Reichssicherheitshauptamt (RSHA) sind 35 Kunstgegenstände aufgeführt, die von SS-Jagdverbänden von Bayern ins südböhmische Strakonitz verbracht werden sollten. Unter den aufgeführten Gegenständen befanden sich neben „drei Metallkisten der Forschungsabteilung Ing. Kammler“, mehrere Aluminumkisten des RF-SS mit „Katharer-Schriften“ und einem „Originalbehälter Hugo de Payens“ (Letzter Großmeister des Templer-Ordens) auch ein Kristallschädel, der laut Liste zur „Sammlung Rahn“ gehörte und ursprünglich aus den „Kolonien Südamerika“ stammte. Ein solcher, ebenfalls dem Magazin Mysteries präsentierter Totenkopf aus Quarz, wird hier erstmals mit Otto Rahn in Verbindung gebracht, wurde aber seltsamerweise von diesem nie erwähnt. Weiterhin wird auch ein „Goldkessel, keltisch“ aufgeführt, der mit dem Vermerk „Wewelsburg, Otto Gahr“ erscheint. Dieser dürfte - die Echtheit des Schreibens vorausgesetzt - mit dem Chiemsee-Kessel identisch sein und würde demnach aus der Werkstätte Otto Gahrs stammen. Die vom im Januar 1932 verstorbenen Münchner Goldschmied - einem frühen Hitler-Vertrauten - begründete Werkstätte wurde von dessen Frau Karoline weitergeführt und fertigte unter anderem den Totenkopfring der SS. Allerdings spricht einiges gegen die Authentizität des Schreibens:  So die in der Abschrift übernommene Zeichnung, „gez. von dem Bach-Zelesky“. Der Name des SS-Offiziers lautete jedoch richtig „von dem Bach-Zelewsky“. Dieser nannte sich allerdings seit 1940 „von dem Bach“, und wird in anderen Dokumenten stets nur so angesprochen.4 Ferner ist die Bezeichnung „Depositarliste“ ebenso unüblich (eher typisch für einen Schweizer Autoren) wie die Verwendung von „Pergamentpapier“. Desweiteren, wie Thomas Ritter zurecht bemerkte, sei die Verschickung von Unterlagen Kammlers nach Böhmen Unsinn, da ja dort Kammlers Denkfabrik ursprünglich angesiedelt war.5  
Dem Artikel zufolge stammen sowohl Liste als auch Kristalltotenkopf aus dem Nachlaß einer alten Dame, die beides von einem Rittmeister Ernst von Alten, einem ehemaligen SS-Mann erhalten haben soll. Die Existenz dieses Rittmeisters soll durch ein Interview, das die Zeitschrift „Quick“ Anfang der 50er Jahre mit diesem führte, verifiziert werden; jedenfalls existiert aber die Familie, in deren Besitz sich das Gut Groß Goltern befindet. Über diese Merkwürdigkeiten hinaus, kursiert eine andere Herkunftsgeschichte über die vorgebliche Depositarliste. Demnach soll sie sich im Besitz eines ehemaligen ungarischen Waffen-SS Mannes befinden.
In der Folgeausgabe der Zeitschrift Mysteries vom Mai / Juni 2011 wurden indes neue Informationen zum Rittmeister von Alten gebracht. Demnach habe der Forscher Thomas Mehner den Hinweis erhalten, daß der genannte Rittmeister Hans-Joachim von Alten hieß und als Ingenieur im Kunsterfassungsbataillon „Gutensturm XII“ eingesetzt war, bevor er zusammen mit anderen Mitarbeitern 1944 direkt dem Reichsführer Himmler unterstellt worden sei. Im März 1945 habe diese eigentlich in Bayern stationierte Gruppe im thüringischen Arnstadt Kisten und Behälter aus der Obhut Himmlers übernommen, um sie in Bayern einzulagern. Allerdings erfolgte diese Einlagerung nur in fünf Fällen, die der Quelle Mehners bekannt seien.6
Daneben wurden im aktuellen Bericht mehrere Quellen zur Existenz von Altens angeführt, darunter persönliche Briefe des Rittmeisters, in denen dieser von einer Tätigkeit für die Sowjets schreibt. Insgesamt machen die Zeilen aber den Eindruck geistiger Verwirrtheit oder vorsätzlicher Irreführung - ein Versuch, die Geheimhaltung für die SS weiter aufrecht zu erhalten, wie Mysteries spekuliert?
Durchaus interessant, wenn auch wenig Quellenwert besitzt die ebenfalls hier zitierte Meldung der russsichen „Prawda“, die 2002 von der Festnahme deutscher „Ahnenerbe-Agenten“ 1943 in Brasilien berichtete, was im zusammenhang mit dem Kristallschädel stehen könnte. Allerdings war Rahn zu diesem Zeitpunkt bereits tot.  Ingesamt gesehen, sind auch diese neuen Quellen kaum geeignet die Zweifel an der Echtheit der Depositarliste zu beseitigen.
 
Anmerkungen
1) siehe u.a. Col. Howard Buchner (1991), S. 26 ff.
2) vgl. Lange (1999), S. 57    
3) vgl. Graddon (2008), S.110
4) Zwischen 26. Januar und 11. Februar 1945 war von dem Bach-Zelewski (1899-1972)  Kommandant des X. SS-Armeekorps (Oderkorps), das wenige Wochen nach Aufstellung nicht mehr existent war; vgl. Krüger (2011), S. 202
5) so Katharer-Forscher Thomas Ritter in einem Schreiben an den Verfasser
6) Mysteries 3/2011, S. 42

Literatur:
Buchner, Col. Howard: Emerald Cup - Ark of Gold. Metairie 1991
Graddon, Nigel: Otto Rahn & the Quest for the Holy Grail. Kempton 2008
Krüger, Dennis: Das okkulte 3. Reich. Bottrop 2011
Lange, Hans-Jürgen: Im Zeichen der Schwarzen Sonne. Wieze 2010

 

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