Trojaburg
 
 

Christliche Ketzer & Mystiker

Die Geschichte des Christentums ist zugleich eine Geschichte verschiedenster christlicher Strömungen und Glaubensauslegungen. Wie bereits angesprochen, waren die ersten germanischen Stämme, die das Christentum annahmen Arianer. Sie folgten der Lehre des Arius, einem Prediger aus Lybien, der die Wesensgleicheit von Jesus und Gott bestritt - für ihn war Jesus lediglich ein herausragendes Geschöpf Gottes. Der gotische Bischoff Wulfila verfaßte eine arianische Bibel in gotischer Sprache, welche die Burgunder, Wandalen, Goten, Langobarden und Rugier im Glauben vereinte. Die Frage der oftmals ohne Not erfolgten Annahme des Christentums durch die siegreichen germanischen Stämme wurde zum Teil mit den bereits oben erwähnten vorchristlichen Elementen des neuen Glaubens beantwortet, die den Germanen ebenso vertraut waren, wie der Gedanke eines sich für das Heil der Seinen opfernden Gottes.
Der Wechsel vom „arisch“ interpretierten zum paulinischen Christentums erfolgte erst schleichend seit dem frühen Mittelalter.
Auf dem Konzil von Nicäa 325 einigten sich die kirchlichen Gesandten auf die paulinische Auslegung der christlichen Lehre, derzufolge Jesus die ewige Inkarnation Gottes auf Erden ist, dieser zuwiderlaufende Ansichten galten als Häresie.
Dennoch erschienen im Laufe der Geschichte immer wieder Persönlichkeiten, die als überzeugte Christen Dogmen der Kirche in Frage stellten.
Zu dem bekanntesten zählen Meister Eckhardt (ca.1260-1328), der die Selbsterlösung der Gott in sich tragenden Menschen lehrte und Giordano Bruno (1548-1600), der auf Kopernikus heliozentrischem Weltbild  aubauend, die Unendlichkeit des Weltraums und damit der materiellen Welt postulierte, die keinen Raum für den göttlichen Himmel mehr ließ.
Meister Eckhart, der zugleich als einer der größten Mystiker gilt, eröffnete den Zugang zu einer alten christlichen negativen Theologie und Tradition, die eng mit der Philosophie (des Neuplatonismus) und dem Entstehen der christlichen Theologie überhaupt verbunden ist.
„Eckehart war die Aufklärung – ohne Verklärung, war aufgeklärter als die Aufklärung. Er war in der Tat viel gefährlicher als später Luther, als die Entlarvung des Priester-Betrugs im achtzehnten Jahrhundert, als der harmlose Atheist des zwanzigsten. Eckehart deckte den „Abgrund“ auf, den alle Religionen und Philosophien zudeckten.“ (Ludwig Marcuse)
Neben diesen zu Ketzern erklärten christlichen Einzelgestalten, gab es jedoch auch eine Reihe von Ketzerbewegungen, die noch bis die Neuzeit wirkten.
Die früheste dieser Bewegungen waren die Bogumilen, Anhänger des bulgarischen Priesters Bogumil (ca. 913-965), der die irdische Welt als Schöpfung des Teufels in seiner Gestalt als jüngstem Sohn Gottes lehrte. Daher lehnten die Bogumilen sowohl die Verehrung des Kreuzes als auch die Begehung der Sakramente ab und führten einen asketischen Lebensstil der auch die passive Ablehnung der weltlichen Gewalt in Gestalt des bulgarischen Zaren beinhaltete. In ihrer Literatur, die sich hauptsächlich auf apokryphe Schriftern stützte, dominierte die Gnosis in Gestalt der Erkenntnis der immateriellen Unsterblichkeit, die in der materiellen Welt im menschlichen Körper „gefangen“ ist. Nach Eroberung Bulgariens und Bosniens - wo eine Abspaltung der Bogumilen vorherrschte - durch die Türken Ende des 14. Jahrhunderts, spielten die Bogumilen keine Rolle mehr.
Von den Bogumilen beinflußt, entschloß sich der Lyoner Kaufmann Valdes um 1176 /78 seinen Reichtum aufzugeben und das Evangelium zu verkünden. Valdes und seine schnell gewonnenen Anhänger, die sich sowohl aus Männer als auch Frauen rekrutierten, verzichteten fortan auf jeden Besitz, trugen einfache Gewänder und Sandalen und lebten von der Bettelei. Diese als „Waldenser“, in Südfrankreich auch als „Arme von Lyon“ bezeichnete Gruppe, folgte dem biblischen Auftrag Christi an seine Jünger, das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden (Mk. 16,15) und hielten als Wanderprediger Predigten ab, die - im Gegensatz zu den lateinischen der Priester - in der Volkssprache vorgetragen wurden. Trotz der seit 1230 einsetzenden Verfolgung der Waldenser aufgrund der bereits 1185 erfolgten Verurteilung als Häretiker, bestehen auch heute noch kleinere Gruppen von Waldensern. Teile der Waldenser folgten der Lehre des Jan Hus, der - wiederum beeinflußt durch den Häretiker Wyclaf - den Unfehlbarkeitsanspruch des Papstes ablehnte und den Ablaßhandel kritiserte. Aufgrund seiner für die damaligen Priester gefährlichen Predigten wurde er 1415 als Ketzer verbrannt.
Eine größere Bekanntschaft erlangten  die Katharer, die sich selbst als „Reine“ (catharoi) bezeichnenden Anhänger einer in Südfrankreich seit ca. 1140 nachweisbaren Bewegung. Von ihnen leitet sich der Begriff Ketzer für alle Häretiker ab. In der Bemühung den Begriff negativ zu besetzten, erfanden kirchliche Prediger die Legende, wonach die Katharer zum Zeichen der Unterwerfung unter Satan einer Katze das Hinterteil küssen würden, woher der Name Katharer entstanden sei. Der Schwerpunkt der Katharer lag in Südfrankreich, insbesondere der Provence und dem Languedoc, eine Hochburg war Albi, das Namenspatron der  ebenfalls geläufigen Bezeichnung der Katharer als „Albigenser“ war.
Von hier ausgehend verbreitete sich die Bewegung bis nach Sizilien, England und Skandinavien, ein deutsches Zentrum lag in Köln. Auch die Kapelle von Drüggelte soll nach verschiedentlich geäußerter Meinung von Anhängern der Katharer errichtet worden sein.
Gleichsam den Bogumilen lehnten die Katharer die irdische Welt als Schöpfung des Teufels ab und richteten ihr Streben auf die Befreiung der Seele vom Körper; wie die Bogumilen unterschieden die Katharer die „perfecti“ genannten, durch das „Consolamentum“ in die katharische Kirche aufgenommenen, von Anwärtern und Anhängern, die im Gegensatz zu den bogumilischen „auditores“ unterteilt waren in „Initiierte“ (Anwärter) und „credentes“ (Gläubige).
Durch den streng asketischen Lebenswandel der Katharer, die jede Form der Eidleistung und Lüge ebenso ablehnten wie die Tötung von Menschen und Tieren ja selbst Fischen, entwarfen sie ein wirksames Gegenbild zu den katholischen Pfarrern, die oftmals „Wasser predigten, doch Wein tranken“. Durch die rasante Ausbreitung entstand für die katholische Kirche eine ernste Gefahr, derer man sich durch Exkommunizierung im Jahr 1179 und Ausrufung eines Kreuzzuges im Jahre 1209 (sogenannter „Albigenserkreuzzug“) entledigen wollte. Allerdings verband der französische König Philipp II. mit dem Feldzug zugleich das Ziel die widerspenstigen Fürsten Okzitaniens, die eng verbunden mit den Katharern waren, zur Unterwerfung zu zwingen. So war nach Beendigung des Kreuzzuges  1229 zwar Okzitanien in das französische Reich eingegliedert, jedoch konnten sich die Katharer in verschiedenen Zentren halten.
1243 begann die Belagerung der Festung Montsegur, der - neben der erst 1255 gefallenen Burg Quéribus - letzten Zuflucht und dem Sitz der Kirchenleitung der Katharer seit 1229. Nach einem acht Monate währenden Kampf kapitulierten die letzten 200 verbleibenden Katharer und wurden nach Verweigerung der Taufe als Ketzer verbrannt. Dennoch flammte die Bewegung um1299 erneut kurz auf, konnte sich jedoch nicht lange halten: 1321 wurde der letzte Katharerbischoff verhaftet.
Die Bekanntheit der Katharer in Deutschland ist eng verbunden mit den Arbeiten des deutschen Forschers Otto Rahn, der den Katharern sein Buch „Kreuzzug gegen den Gral“ widmete. Dabei brachte Rahn die Glaubensbewegung in Verbindung mit dem Heiligen Gral, als deren Hüter er die Katharer bezeichnete. Als Beleg beruft sich Rahn auf den Gralsdichter Wolfram von Eschenbach, der von den Gralshütern schrieb: „Ihn ließ auf Erden eine Schar, die wieder zu den Sternen flog. Weil ihre Reinheit sie heimwärts zog.“
Mit den „Reinen“ konnten nach Rahn nur die Katharer gemeint sein, die ihre irdische Zwangsstätte verließen und zu den Sternen heimkehrten. Bestärkung fand er überdies in der Benennung der Gralshüterheimstätte Munsalväsche, die er als das einstmals als Heiligtum der Belissena - einer Ableitung der Astarte-Artemis-Diana - bekannte Montsegur identifiziert. Auch Wolframs, in einer Höhle bei Munsalväsch lebender Einsiedler Trevrizent, der nie aß „von blutgenSpeisen, Fleisch und Fisch“, weist deutliche Erkennungsmuster eines Katharers auf. Dieser führt Parzival in eine Altar-Höhle und gibt ihm Kunde vom heiligen Gral, der im Venusberge verborgen liege - eine mögliche Anspielung auf den einer Göttin geweihten Montsegur. Wenn man Rahn glauben schenken kann, hat sich die Legende der gralshütenden Katharer noch bis in die heutige Zeit bei den Einhemischen erhalten.
Der deutsche Forscher war es auch, der die Katharer in eine weiter zurückreichende Kontinuitätslinie einer Bewegung von Edlen und Frommen stellte, die sich bis zu den nordischen Hyperboräern erstreckte, von denen ebenfalls die Reinheit, Frömmigkeit und Ablehnung des Verzehrs von Fleisch und der Tötung von Menschen berichtet wird.
Zentraler Punkt war dabei Rahn zufolge die Lehre der Unsterblichkeit der Seele, die dazu verdammt sei,von Lebewesen zu Lebewesen zu wandern bevor sie aus dem irdischen Reich des Unterweltgottes in das himmlische Reich des wahren Gottes aufsteigen durfte. Diese erkannte er ebenso bei den griechischen Pythagoräern wie bei den keltischen Druiden, letzteren spricht er auch die Unterteilung zwischen dem irdischen Reich der Finsternis des Gottes Dispater und dem Reich des Lichtes Belenus zu. Aus diesen im Languedoc lebenden Kelten gingen gemäß Rahn nach der Christianisierung durch manichäische Christen die Katharer hervor.
Eine Verbindung zwischen Katharern und Termplern, den als Ketzern verfolgten Ordensrittern, deutet Rahn indes lediglich an.  Wolfram bezeichnet die Wächter des Grals auf Munsalväsche als Templeisen - wenn nun Montsegur dieser Ort ist, dann müssen hiermit Katharer-Anhänger gemeint sein.
Von der Wissenschaft wird heute Otto Rahn weitestgehend verschwiegen, obgleich er erkennbar in vielen einschlägigen Publikationen im Hintergrund durchschimmert. Ebenso wird ein Bezug der Katharer zum Gral oder der Templer zu den Katharern zumeist negiert. Dabei verbindet beide mehr als nur das Schicksal als verfolgte Abtrünnige vom christichen Glauben: Viele der franzöischen Templer stammten aus dem Languedoc und unterhielten wie die übrigen Adligen des Landes auch, freundschaftliche Kontakte zu den „Reinen“.
Zwar kann eine Weitergabe eines Gralsgefäßes in Form eines materiellen Gegenstandes von Templern an Katharer ausgeschlossen werden, nicht aber die gegenseitige geistige Befruchtung hinsichtlich des wahren Gralsgeheimnisses. Beide Gruppen hüteten Wissen aus vorchristlichen Kulten - bei den Katharern waren es die manichäisch-druidischen Geheimnisse, bei den Templern aus dem Orient mitgebrachte Geheimnisse, die jedoch ursprünglich ebenfalls von Kelten und deren Vorfahren dorthin gelangten.  
Insbesondere die Baphomet-Verehrung weist auf vorchristliche Ursprünge. Zum einen erinnert die Dreiköpfigkeit an germanisch-slawische Götterdarstellungen, zum anderen könnte es sich dabei um einen Mutterkult handeln, der in älteste Zeiten zurückweist.
Auch das in Aufnahmeritualen der Templer übliche Anspucken des Kreuzes scheint mit der Ablehnung der Kreuzesvererhung der Katharer zu korrespondieren - jedoch soll dieses den Anwärtern lediglich die bei einer Gefangenschaft durch Sarazenen drohenden üblichen Folterungen als Abschreckung drohend vor Augen führen - zumindest wenn man der ausgewiesenen Templer-Expertin Barbara Frale Glauben schenken will (Fokus 52/2007). Frale gelang anhand eines päpstlichen Verhröprotokolls auch kürzlich der Nachweis, daß Papst Clemens  entgegen der lange angenommenen Sicht, 1308 gefangenen Templern die Absolution erteilte - sie also von ihren Sünden befreite - und den Orden bewahren wollte, sich jedoch gegenüber König Philipp nicht durchsetzen konnte, der den Orden schließlich 1312 per Verwaltungsakt endgültig auflöste - wie es heißt, um sich des beträchtlichen Vermögens des Ordens zu bemächtigen - indes bleibt der Verdacht, daß hinter dem materiellen Ziel auch ein geistiges gesteckt haben könnte - die Ausrottung bei den Templern bewahrter heidnischer (Grals-?)geheimnisse.                 

Betha, Ernst          Die Erde und unsere Ahnen. 1913
Borst, Arno            Die Katharer. TB-Ausgabe, Bergisch-Gladbach 2000
Frenschkowski, M.   Mysterien des Urchristentums. Eine kritische Sichtung spekulativer Theorien zum frühen Christentum. Wiesbaden 2007
Gorsleben, Rudolf J. Die Hoch-Zeit der Menschheit. Nachdruck, Bremen 1993
Harpur, Tom            Der heidnische Heiland. München 2005
Holl, Adolf:             Die Ketzer. Wiesbaden 2007
Katholing, Winfried   Heilige Stätten der Heiden und Ketzer. Aschaffenburg 1998
Kemp, Arthur          Der Marsch der Titanen. Die Frühgeschichte. Duisburg 2005
Lange, Hans Jürgen  Weisthor. Himmlers Rasputin und seine Erben. Engerda 1998
Notowitsch, Nikolaus Die Lücke im Leben Jesu. Stuttgart 1894
Plange, Th. J.          Christus - ein Inder? Versuch einer Entstehungsgeschichte                                  des Christentums. Nachdruck von 1906, Süderbrarup 2003
Rahn, Otto              Kreuzzug gegen den Gral. Die Geschichte der Albigenser.
                             Engerda 2000
Wirth, Herman          Der Aufgang der Menschheit. Jena 1928
       
Zeitschriftenartikel:
Bernd Ehlert: Meister Eckhart und die wahren Wurzeln des Christentums; in:
Tabula Rasa, Ausgabe 27, 1/2007
Roger Thiede: Untergang der Tempelritter; in Focus 52/2007
                        

 

© 2013 Parzifal Gestaltung: Druckfahne Medien. Template Idee: ChocoTemplates.com