Nordische Runen & das etruskisch-venetische Alphabet
von K. Walter Haug
Der fundamentale Lehrsatz der Kommmunikationstheorie lautet: Es ist unmöglich nicht zu kommunizieren.
Für jeden Sender einer Information gibt es einen Empfänger. Bezogen
auf das Problem der alten und ältesten Schriftsysteme allerdings gibt
es unbegreifliche Feststellungen der Historiker, die sich mit dem gesunden
Menschenverstand nicht mehr nachvollziehen lassen.
Gerade das Problem der nordischen Runen und des etruskisch-venetischen
Alphabets macht deutlich, daß hier chronologische Verwerfungen
allergrößten Umfangs zu realisieren sind. Piergiuseppe Scardigli beweist
in seinem excellenten, allerdings dem orthodoxen Chronologiesystem strikt
unterworfenen Aufsatz „Zur Herkunft der Runenschrift aus der nordetruskischen
Schrift“ (Die Etrusker und Europa, Fabbri Editori, Paris 1992) anhand zahlreicher Schriftbelege die große stilistische und epigraphische Ähnlichkeit beider Systeme: „Die Belege für eine Verbindung zwischen dem nordetruskischen und dem germanischen Raum sind nunmehr unanfechtbar...“ (!), muß dann allerdings resümieren: „Eine der zahlreichen ungelösten Fragen ist beispielsweise der zeitliche Abstand zwischen den Erscheinungsformen vorlateinischer Schrift in Norditalien... und den Runenzeichen...“
Hier legt der Autor die Hand tief in die schwärende Wunde der mittelalterlichen
Weltgeschichts-Fälschungsaktion, ohne allerdings eine Antwort zu
finden, denn immerhin handelt es sich hier um Zeiträume, die nicht weniger
als 400 Jahre voneinander trennen – ein unbegreifliches dunkles Zeitalter,
in der beide Schriftsystem völlig von der Welt verschwunden sind und
das von den letzten Jahrhunderten des 1. Jahrtausend v. Chr. bis in das
2. und 3. Jh. n. Chr. reicht. Umso unbegreiflicher ist dann, wie die etruskische Schrift urplötzlich wieder aus dem Nichts bei den Germanen in Skandinavien, im Alpengebiet, in Rumänien, England, bei den Alemannen usw. auftauchen kann, und das in kaum gewandelter Form. Es sind nicht nur die ~400 Jahre. Wenn
für die etruskische Schrift ein Verwendungszeitraum vom frühen 7. Jh. v.
Chr. bis etwa 200 v. Chr. behauptet wird, für die norischen Runen von
etwa 200 n. Chr. bis ins 14. Jh. und mehr, dann klafft eine zeitliche Lücke
von nicht weniger als 900 Jahre im Zeitpunkt, in dem beide Schriftsystem
starten.
Wozu aber äußerst ähnliche Schriftsysteme in fast ganz Europa, wenn
mit ihnen angeblich nicht kontinental kommuniziert wurde? Eine hirnrissige
Annahme! Die etruskisch-venetischgermanischen Schriftsysteme können
nur zur selben Zeit benutzt worden sein.
Damit aber wird der Zeitraum, in dem das Römische Imperium existiert
haben soll, eliminiert. Eine der provokativsten Theorien des Chronologiekritikers
Anatolij Fomenko hat einen materiellen Beweis gefunden, beileibe nicht der einzige. Wie sollen wir uns jetzt das Römische Reich überhaupt vorstellen? Wenn wir beide Zeiträume, die etruskische Epoche von etwa 700 v. Chr. bis
~200 v. Chr. und das frühe und hohe Mittelalter der Germanen von etwa 200 n. Chr. bis ca. 1400, in Deckung bringen, wird erkennbar, daß Fomenkos These,
die Römische Epoche und Kultur sei identisch mit der Renaissance, stimmen muß. Die lateinische Sprache und die lateinische Schrift werden auch jetzt schon von der Geschichtswissenschaft chronologisch nach der etruskischen eingeordnet.
Folglich kann auch nicht vor etwa 1400 mit der Einführung der lateinischen Schrift in ganz Europa gerechnet werden, und damit wird klar, daß Deutsche und Römer bzw. Italiener zur selben Zeit die lateinische Schrift einführten.
Ein anderes Vorgehen wäre auch absoluter Blödsinn gewesen. Die Schrift dient nun mal der Kommunikation.
Ein einseitiges Vorgehen hätte niemanden etwas gebracht. Dem Sender hätte der Empfänger gefehlt.
Damit löst sich für den Autor auch eins der großen Rätsel seiner Schuljahre,
nämlich warum die Germanen angeblich unfähig gewesen wären, die lateinische Schrift zu lernen und mit den Römern zu kommunizieren.
Die Archäologie und Geschichtswissenschaft kann ja keinerlei Belege für
einen Schriftkontakt beider Kulturen feststellen. So dumm können unsere
Vorfahren also wirklich nicht gewesen sein, keinesfalls weniger intelligent
als Kolonialvölker der vergangenen Jahrhunderte, die allesamt die Schriften
ihrer Eroberer lernten und fleißig gebrauchten.
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